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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Jungen? Nein, sie hatten auf der entgegengesetzten Seite gestanden. Wahrscheinlich jemand, der ihn die ganze Zeit beobachtet hatte … In seine Überlegungen hinein drang Gorms tiefe Stimme vom Hof. Lapidius konnte nicht verstehen, was er sagte, hörte aber Marthe gleich darauf schelten:
    »Wassis los, was willste schon wieder? Hau ab!«
    Lapidius trat nach draußen. Gorm und Marthe standen sich am Ziehbrunnen wie zwei Kampfhähne gegenüber. Als der Riese Lapidius gewahr wurde, sagte er:
    »Is Freyja gut?«
    »Ich denke, ja.«
    Gorm drückte die Magd wie eine Schiebetür beiseite und trat näher. »Un was sacht Freyja?«
    Lapidius schüttelte den Kopf. »Das hast du doch neulich schon wissen wollen. Warum?«
    »Sie redet viel?«
    »Wer hat dir befohlen, diese Fragen zu stellen?«
    »Reden nich gut für … für Gesundheit.«
    Lapidius hatte einst in Spanien einen Papageien gesehen, ein possierliches Tier, das es verstand, Sätze in immer gleicher Tonlage zu wiederholen. An diesen Vogel fühlte er sich jetzt erinnert. Auch Gorms Stimme klang so. Oder bildete er sich das nur ein? Der Hilfsmann schien ein wenig auf ihn zuzukommen, schob sich dann aber wieder fort. Lapidius hatte das Gefühl, er müsse der Bewegung folgen, und bemühte sich, stehen zu bleiben. Es gelang nicht ganz. Der Vorgang wiederholte sich. Lapidius fand das erheiternd. Gorm, der große, dräuende Koloss, wirkte an diesem Tage ebenfalls erheiternd, so erheiternd …
    Lapidius nahm sich zusammen. Er war dabei, dem Einfluss des Tranks nachzugeben, und das durfte nicht sein. Gorm war da, und die Gelegenheit musste genutzt werden. »Marthe, geh in deine Küche … j a, gleich j etzt. Und nun, Gorm, sag mir einmal, was der große Korb in eurer Werkstatt soll, du weißt doch, der Obstpflückerkorb?«
    Gorm sah j etzt gar nicht mehr erheiternd aus. In seinen primitiven Zügen arbeitete es sichtlich. »Solltich holn«, sagte er endlich und schlug sich, kaum dass die Worte heraus waren, die Hand vor den Mund.
    »Hast du den Korb von der schiefen Jule? Du weißt sicher, was mit ihr geschehen ist?«
    »Ich … ich … sach nix.« Gorm drehte den Kopf zur Seite.
    Lapidius versuchte es anders. »Ich verstehe, dass du mir nichts sagen darfst. Aber das, was der Meister gesagt hat, das kannst du mir doch verraten, nicht wahr? Hat er gesagt ›Gorm, hole einen großen Erntekorb von der schiefen Jule‹?«
    Der Hilfsmann stierte dumpf vor sich hin. Ganz so dumm, wie sein Gegenüber dachte, war er nun auch wieder nicht.
    Lapidius fühlte sich plötzlich wie auf Wolken, doch er stemmte sich dagegen, indem er sich breitbeinig hinstellte. Ihm kam ein anderer Gedanke. »Hat Meister Tauflieb gesagt ›Gorm, frag mal drüben, ob Freyja viel spricht, vielleicht von einer – Höhle‹?«
    Der Riese schluckte.
    »Hat er gesagt ›Gorm, vergifte den Brunnen von Lapidius‹?«
    »Ich sach nix, un … un … der Meister is sowieso nich da.«
    Erneut lief Lapidius ein Schauer über den Rücken. Er fragte sich, ob der Trank dafür verantwortlich sein mochte oder aber der Einfall, der ihm gerade gekommen war: Wenn Tauflieb nicht in seiner Werkstatt war, dann musste er sich irgendwo in der Stadt aufhalten. Vielleicht mit einem Messer …
    Zu Lapidius’ Schauern im Rücken kam ein unangenehmer Druck hinter der Stirn. Und Zorn. Es war gut möglich, dass der Hilfsmann seinen Brunnen vergiftet hatte, und wenn dem so war, dann konnte er ihn auch wieder reinigen. Er deutete auf den bereitstehenden Holzeimer. »Bist du stark genug, den hundert Mal voll hochzuziehen?« Gorm brauchte einen Augenblick, um die Herausforderung zu begreifen. Dann hellte sich sein Gesicht auf. Die Muskeln beherrschte er besser als die Zunge. »Hunnert is viel, wie? Ho … j a! «
    Die Art, wie der Hilfsmann »Hunnert is viel, wie?«, sagte, fand Lapidius wieder sehr erheiternd. Er nahm sich zusammen und befahl: »Dann schöpfe und achte darauf, dass du alles, was das Wasser trübt, hervorholst. Laub, Abfälle, tote Tiere, was auch immer. Kippe das schlechte Wasser zwischen die Johannisbeersträucher. So lange, bis es wieder klar ist.«
    »Ho … ja!«
    Lapidius ließ den Riesen stehen und ging ins Haus. Der Kopfschmerz hatte sich verstärkt. Er strebte durch die Küche geradewegs in sein Laboratorium, um sich dort auszuruhen, doch die Magd hielt ihn davon ab. Sie saß am Tisch und heulte – vor sich die Schluckmadonna und den Taschenaltar.
    »Was ist denn nun wieder los?«, fragte Lapidius leicht

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