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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ähnlich beutelte wie den Leib. Mal fühlte man sich leidlich gut, mal war man zu Tode verzagt. Man musste die Täler der Verzweiflung durchwandern, denn nach jedem Tal folgte wieder ein Berg. Das jedenfalls war der Trost, den Conradus Magnus ihm einst gegeben hatte. Lapidius biss sich auf die Lippen. Warum fiel es ihm nur immer so schwer, die rechten Worte zu finden? »Freyj a …«
    Plötzlich schluchzte sie hemmungslos und begann seltsam krabbelnde Verrenkungen zu machen.
    Er nahm an, dass die Schmerzen der Grund dafür waren, und überlegte ernsthaft, ob er die letzten Tropfen des Laudanums holen sollte, da sah er, dass ihre Bewegungen Methode hatten. Ihr Kopf und ihre Schultern entfernten sich langsam von der Klappenöffnung – fort an der inneren Wand entlang. Sie wollte sich seinen Blicken entziehen!
    Wollte sie wirklich sterben? Ungesehen, wie ein Tier, das sich im Wald verkroch?
    Ohne recht zu wissen, was er tat, streckte er die Hände aus und streichelte ihren Hinterkopf. »Freyja, Freyja, bleibe bei mir.« Was sollte, was konnte er nur tun? Ein Lied aus Kindertagen fiel ihm ein, eines, das seine Mutter ihm an der Wiege gesungen hatte. Er kannte es nur noch bruchstückhaft, aber er wusste um seine beruhigende Wirkung. Er begann zu singen, laut und ziemlich falsch, und kam sich ungeheuer lächerlich dabei vor, doch er sang weiter, denn er merkte, auch ihn beruhigte die alte Weise, und während seine Lippen die Worte formten, streichelten seine Hände unentwegt über Freyjas Kopf.
    Sie bewegte sich nicht mehr.
    »Freyja, Freyja.« Er beugte sich in die Kammer, immerfort singend, und zog sie behutsam wieder an den alten Platz. »Du gehörst zu den Lebenden. Du gehörst ans Licht. Du gehörst zu mir.«
    Sie wandte sich ihm zu, und was er sah, erschütterte ihn erneut bis ins Mark. Noch nie hatte er ein so jammervolles, ausgezehrtes, dem Tode nahes Gesicht gesehen. Ihre Augen, vor wenigen Tagen noch geheimnisvoll und vitriolfarben, waren leer. »Ich kann nicht mehr«, hauchte sie, »die Schmerzen … will sterben, nur sterben …«
    Da küsste er sie auf den Mund.
    »Wollt Ihr rüber zu Meister Tauflieb, Herr?« Marthe kam die Treppe vom Oberstock herunter. Sie hatte Freyja die letzten Tropfen des Laudanums gegeben, hatte sie gepudert und gefüttert und Lapidius während aller dieser Tätigkeiten lautstark auf dem Laufenden gehalten. So wusste er, dass es der Kranken an Leib und Seele besser ging.
    »Nein, ich laufe dem Meister nicht hinterher. Ich habe einen anderen Gang vor.«
    »Wohin denn, Herr?«
    »Du fragst zu viel. Der Schlüssel zu Freyjas Kammer bleibt hier, falls sie noch etwas braucht. Hast du auch nach Spinnen geschaut?«
    »Ja, Herr, habich. Sollich ne Kleinichkeit …«
    »Nein, bereite nichts Essbares vor, ich weiß nicht, wann ich zurück bin. Und halte das Haus verschlossen, lass niemanden ein.«
    »Ja, Herr, ich … ich hab sonne Angst allein.«
    Lapidius hatte es jetzt eilig. Er warf sich den Mantel über und sagte: »Schieb die Gesteinskiste vor die Haustür, so wie ich es die letzten Abende auch getan habe.«
    »Die is zu schwer.«
    »Aha, hm. Dann schließ ab und riegle von innen vor, das muss genügen.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Ich bin bald zurück.«
    Rasch ließ Lapidius sein Haus hinter sich. Er wollte die Sabbathöhle noch vor der Mittagsstunde erreichen. Auch heute schien die Sonne; es versprach ein schöner Tag zu werden. Die letzten Schneereste waren getaut. Überall spross neues Grün. Lapidius ging schnell und stetig, und er spürte mit Genugtuung, dass die Märsche der vergangenen Tage seine Beine gestählt hatten. Er nahm den Hauptweg zur Zirbelhöh, denn er hatte Sorge, sich wieder zu verlaufen und abermals auf die Hilfe des alten Holm angewiesen zu sein.
    So kam es, dass er nicht einmal zwei Stunden brauchte, um den Höhleneingang zu erreichen. Hier oben wehte ein kräftiger Wind, der seinem erhitzten Körper Kühlung brachte. Er blickte sich um. Niemand war zu sehen. Zu seinen Füßen schimmerte der nackte Fels, hier und da von einigem Moosbewuchs überzogen. Die Spuren im Schnee, die ihm den Weg zum Eingang gezeigt hatten, waren restlos verschwunden. Lapidius bedauerte das, denn beim letzten Mal hatten sie ihm verraten, dass die Höhle leer war. Aber es half nichts. Wenn er zu weiteren Erkenntnissen kommen wollte, musste er hinein. So oder so.
    Wenig später stand er in dem halbdunklen Gang und entzündete die kleine Öllampe. Diesmal hatte er auf einen Wollfaden als

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