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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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langsam gelang es ihm, wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Natürlich, was er gesehen hatte, war nicht der Leibhaftige, sondern nur eine Gesichtsmaske. Allerdings eine, die so grauenhaft aussah, dass sie den stärksten Mann das Fürchten lehren konnte. Lapidius rappelte sich auf. Es gibt keinen Satan in dieser Höhle, sagte er sich. Es ist nur die Maske des Teufels. Eine Maske, mehr nicht!
    Er begann nach dem Lämpchen zu tasten und seufzte vor Erleichterung, als er es kurz darauf tatsächlich unter den Fingern fühlte. Es lag auf dem Felsboden, kaum eine Armeslänge von ihm entfernt. Nun musste er es nur wieder entzünden. Stahl und Feuerstein befanden sich in seinen Taschen, und er grub danach. Da waren sie schon. Nach wenigen Versuchen stand die Flamme auf dem Docht, und Lapidius konnte wieder sehen. Den Blick in Richtung Maske vermeidend, wollte er das Licht nun endgültig aufstellen, als er unvermittelt bemerkte, dass der Lampenkörper nahezu ausgelaufen war. Er hatte kaum noch Öl. Das hieß, wollte er noch bei Licht die Höhle verlassen, musste er sich eilen! Hastig drehte er am Torso, während er die Blicke der Teufelsfratze fast körperlich in seinem Rücken spürte. Es ist nur eine Maske, sagte er sich abermals und untersuchte den Rücken. Ja! Fünf Hämatome waren darauf zu unterscheiden. Ein Beweis, dass auch dieser Leib auf die Stalagmiten gepresst worden war.
    Im Folgenden nahm Lapidius auch die anderen Körperteile in Augenschein, konnte aber nirgendwo Spuren einer Gewaltanwendung entdecken.
    Das Öllämpchen flackerte.
    Lapidius erkannte, dass ihm kaum noch Zeit blieb. Der Rumpf musste liegen bleiben, wie er war. Er nahm das Licht auf, fasste sich ein Herz und schaute noch einmal hinter den Felssockel. Obwohl er diesmal vorbereitet war, kostete es ihn große Überwindung, den Anblick zu ertragen: Eine blutigrote hämisch grinsende Fratze mit kantigen Kiefern, gebogenen Hörnern und großen Augenlöchern starrte ihm aus dem Halbdunkel entgegen; links und rechts daneben ebensolche Scheußlichkeiten, die das Böse ausstrahlten, die Vernichtung, die Verachtung alles Göttlichen. Die Masken waren so perfekt gearbeitet, dass sie zu leben schienen.
    Und sie lebten.
    Sie bewegten sich auf ihn zu!
    Lächerlich. Das konnte nicht sein. Lapidius besann sich auf seinen Verstand. Er war Wissenschaftler, und die Bewegung rührte sicherlich nur von dem unruhigen Flämmchen her. Doch wollte er sich darauf lieber nicht verlassen und machte, dass er davonkam. Er eilte zurück in den Höhlendom, fand auf Anhieb den richtigen Gang nach draußen, verirrte sich auch weiterhin nicht und stand kurz darauf – wieder im Dunkeln. Das Lämpchen war verloschen. Keinen Augenblick zu früh, wie er aufatmend feststellte, denn er sah bereits Licht am Ende des Wegs. Licht, Himmel, Helligkeit! Voller Verlangen schritt er weiter, bis er den Höhleneingang erreicht hatte.
    Als er wenig später den Heimweg antrat, konnte er sich eines gewissen Hochgefühls nicht erwehren. Zwei seiner Annahmen hatten sich als richtig erwiesen. Zunächst einmal gab es sie tatsächlich, die Filii Satani. Außerdem waren es mit Sicherheit drei – wie auf Vierbuschs Triptychon. Beides ließ sich durch die Entdeckung der Masken eindeutig belegen.
    Bei den toten Frauen gab es ebenfalls Erkenntnisse. Sowohl Gunda Löbesam als auch die Unbekannte waren in der Sabbathöhle vergewaltigt worden. Die Hämatome auf ihren Rücken sprachen unzweifelhaft dafür.
    Lapidius war so in seine Gedanken vertieft, dass er an einer Wegbiegung geradeaus lief und jählings im dicht wachsenden Gebüsch stecken blieb. Er unterdrückte eine Verwünschung und versuchte, sich aus dem hakeligen Gezweig zu befreien. Es gelang ihm auch, mit einem kräftigen Ruck. Unwillkürlich stieß er einen Pfiff aus. Er hatte etwas am Boden gesehen, etwas, das nicht dahin gehörte. Nochmals zog er das Geäst beiseite und konnte nun eine Kiepe erkennen, ein geflochtenes Behältnis, wie es von vielen Überlandreisenden benutzt wurde. In der Kiepe befanden sich mehrere Körbe von unterschiedlicher Form. Daneben lag ein größerer blauer Stofffetzen, bei dem es sich, wie Lapidius beim Aufnehmen erkannte, um ein Kleid handelte. Dazu fand er billige Schuhe, ein Leibchen, eine zerknitterte Haube … die Kleider einer Frau.
    Lapidius war klar, dass er die Verkaufsware der Gunda Löbesam entdeckt hatte. Hier war der Ort, wo die Söhne des Teufels sich ihrer entledigt hatten. Ebenso wie der Kleider, die

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