Die Hitzkammer
Latein?«
»Wie? Nein, nicht richtig. Ich war mal auf einer Lateinschule, nur kurze Zeit …«
»Sehr gut. Wisst Ihr, was Filii Satani heißt?«
»Nein. Oder doch, ich denke …« Der Meister machte j etzt einen leicht verwirrten Eindruck. »Irgendwas mit Söhnen und Teufeln?«
»Ihr sagt es. Ich wusste, wir kommen der Sache näher. Fühlt Ihr Euch als ein Sohn des Teufels? Gebt es ruhig zu. Ich habe viele Hinweise, dass Ihr ein solcher seid. Es liegt in der Heimtücke Satans, dass er sich nur zeitweise im Körper zu erkennen gibt. Vorzugsweise nachts. Habt Ihr manchmal das Gefühl, das Böse ginge mit Euch durch? Ist Euch heiß? Möchtet Ihr töten? Schänden? Blut saugen?«
Lapidius hatte im Laufe der Zeit immer lauter gesprochen, ja zum Schluss fast geschrien, darum wunderte er sich umso mehr, dass j etzt überhaupt keine Antwort mehr kam. Stille lag über dem Hof. Tauflieb stand nur stumm da, die Augen in weite Ferne gerichtet. Endlich sagte er: »Ich glaube, dass in jedem von uns ein Stück Teufel steckt, Magister. In mir, in Gorm, in Euch. Deshalb solltet Ihr auch Euch alle diese Fragen stellen. Ich jedenfalls denke, dass Ihr mit Eurem geheimnisvollen Wissen um Höhlen und Teufel sehr verdächtig seid. Ich muss mir überlegen, ob ich nicht doch zum Büttel gehe und ihm von diesem Gespräch berichte. Und nun darf ich um den Bohrer bitten. Er ist mein Eigentum.«
Lapidius schluckte. Eben noch hatte er gedacht, Tauflieb entlarven zu können, und nun diese Wandlung. Der Meister war wirklich kaltschnäuzig. Erst hatte er ganz offensichtlich gelogen, dann war er immer unsicherer geworden, und am Schluss hatte er sich wieder gefangen. Und den Spieß umgedreht, indem er neuerlich mit dem Büttel drohte. Das war enttäuschend. Aber er, Lapidius, durfte nicht aufstecken. Und sich schon gar nicht einschüchtern lassen. »Der Bohrer ist ein Beweisstück, Meister! Er bleibt in jedem Fall bei mir.«
Tauflieb zögerte einen Augenblick. Dann zuckte er mit den Schultern und verließ ohne ein weiteres Wort den Hof.
Lapidius blickte ihm hinterher und fragte sich, wie er das hitzige Gespräch bewerten sollte. Er hatte Tauflieb zu einem Geständnis bringen wollen, aber das war ihm nicht gelungen. Andererseits hatte der Meister wiederholt gelogen, und es stand zu erwarten, dass er, noch mehr unter Druck gesetzt, mit der Wahrheit herausrücken würde: mit der Wahrheit, dass er ein Sohn des Teufels war, der seinen ahnungslosen, tumben Hilfsmann vorschickte? War das so? Gorm war von Tauflieb abhängig. War er ihm gar hörig? Dagegen sprach die Bemerkung des Schlossers, manchmal habe selbst er keinen Einfluss auf Gorm. Doch wer konnte den haben, wenn nicht Tauflieb?
Lapidius ging mit schweren Schritten zur Hoftür und betrat das Haus.
Marthe saß am Küchentisch und zitterte wie Espenlaub. »Ich fliech am ganzen Körper, Herr, am ganzen Körper!«
»Das sehe ich.« Lapidius brauchte einen Augenblick, um sich auf die neue Situation einzustellen. »Hat es mit dem da zu tun?« Er wies auf ein flaches, mit Wasser gefülltes Gefäß, in dessen Mitte eine schrumpelige Kugel lag, ein Gebilde, das aussah, als hätte jemand blattlose Zweiglein zu einem Ball zusammengeknüllt.
»Ja, Herr, nee, Herr. Dassis ne Rose von Jericho.«
»Nun beruhige dich erst einmal und erzähle mir, was das ist.«
»Ne Jerichorose. Die muss man ham, wennim Haus Glück un Segen sein solin un nich Tod un Verderben. Da sacht man auch ›Auferstehungsrose‹ zu, weilse immer wieder aufgeht.« Das Reden über die unscheinbare Pflanze, welche von Wissenschaftlern Selaginella epydophylla genannt wurde, beruhigte die Magd etwas. »In drei Tagen isse ganz außenander, un wenns Wasser alle is, gehtse wieder zusammen. Man kannse stehn lassen, so lang man will, un se geht nich kaputt. Dreitausend Jahre isse alt, die Rose.«
»Aha, so, nun ja.« Lapidius dämmerte es, schon von der Wunderpflanze gehört zu haben. Kreuzritter hatten sie einst aus dem Heiligen Land mitgebracht. Dem Wasser, in dem sie stand, wurden heilsame Kräfte nachgesagt, ebenso wurde behauptet, dass sie, neben einer Gebärenden aufgestellt, die Niederkunft erleichterte. »Marthe, Marthe, du wirst immer frommer. Erst die Schluckmadonna, dann der Taschenaltar und jetzt auch noch eine Rose von Jericho.«
»Essis doch nur, weilich sonne Angst hab, Herr. Ihr wart ja wech, un Gorm war wieder da.«
»Was, Gorm war schon wieder da?«
»Wollt zu Freyja hoch, der Kerl, hat immer so komisch gekuckt un
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