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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Arbeit hinderlich war. Doch seit ich die geschliffenen Gläser trage, ist mein Augenlicht wieder wie in jungen Tagen. Fürwahr ein Segen, wenn man wie wir die Vierzig überschritten hat, was, haha! Doch wie ich sehe, braucht Ihr noch keine, Magister?«
    Lapidius wollte antworten, dass dem leider nicht so sei, zumindest von Zeit zu Zeit, überlegte es sich aber anders. Er fühlte sich ein wenig gekränkt, da er noch keine vierzig war. »Äh … nein. Ich habe Euch den Alambic zurückgebracht. Er hat mir sehr geholfen. Eure Gattin war so freundlich, ihn mir auszuleihen.«
    »Aber natürlich, natürlich. Ich weiß Bescheid. Ich habe ihn nur nicht gleich erkannt, da er in dem Eierkorb steckt. Stellt ihn nur dort ins Regal zu den Nuppenbechern und Trinkgefäßen. Und dann nehmt Platz. Ich sage immer, eine Apotheke, in der kein Platz zum Sitzen ist, ist keine Apotheke, was, haha! «
    »Äh … ja.« Lapidius lächelte gequält und dachte, dass Veith an allem Möglichen leiden mochte, aber sicher nicht an Einsilbigkeit. Er war einer von drei Apothekern in Kirchrode und seine Arzneien nicht besser und nicht schlechter als die seiner Kollegen. Wenn überhaupt etwas aus seinem Angebot Berühmtheit erlangt hatte, dann war es die Bitterkeit seiner Pillen – kunstvolle Kügelchen, die er mit großer Fingerfertigkeit und beachtlicher Schnelligkeit herzustellen verstand.
    »Was kann ich für Euch tun?«
    »Nun, ich bin nicht nur wegen des Alambics gekommen, ich wollte auch fragen, ob Ihr ein Mittel gegen aufkommende Erkältung habt.«
    Veiths gelbe Augen blinzelten fröhlich. »Jaja, Frühlingszeit gleich Schnupfenzeit, wie ich immer zu sagen pflege. Ich hoffe, es hat Euch nicht allzu stark erwischt?«
    Lapidius verneinte. Er fühlte sich nicht krank, obwohl ihn das nicht verwundert hätte nach dem gestrigen Gang im Hagelschauer. Es kam ihm lediglich darauf an, nicht gleich wieder gehen zu müssen. Apotheker hörten so manches, was normalen Bürgern verborgen blieb.
    »Nun, dann rate ich zu einem Aufguss von Lindenblüten. Die Lindenblüte ist so segensreich bei drohender Erkältung, dass ich immer sage, sie müsste eigentlich ›Lindernblüte‹ heißen, haha! Am besten jedoch entfaltet sie ihre Wirkung in Pillenform. Was bevorzugt Ihr, verehrter Magister: Zimtgeschmack, Minzgeschmack oder Süßholzgeschmack?«
    »Nun, vielleicht Minzgeschmack.« Lapidius ersparte sich, den Apotheker darauf hinzuweisen, dass Lindenblüten ein Allerweltsmittel zur Schweißbildung waren und nahezu j ede Hausfrau ein paar Unzen davon verwahrte. Marthe machte da keine Ausnahme, was Freyj a schon zugute gekommen war.
    »Minzgeschmack. Sehr schön. Genügen Euch zwei Dutzend? Ich werde sie rasch herstellen. Es dauert nicht lange.«
    »Äh … ja. Schön.« Damit hatte Lapidius nicht gerechnet. Er hatte angenommen, Veith habe die Pillen vorrätig, doch nun musste er wohl oder übel die ganze Prozedur mit ansehen. Der Apotheker hatte schon damit begonnen, pulverisierte Lindenblüten mittels einer kleinen Handwaage abzumessen. Die Menge vermischte er mit hellem Lehm und Parfümstoffen, sodann mit einigen Tropfen Öl, um die Masse geschmeidig zu machen. Während dieser Tätigkeit redete er pausenlos und schilderte haarklein jeden seiner Schritte. Endlich gab er noch einige farbige Pflanzensporen hinzu, wobei er ein geheimnisvolles Gesicht zog.
    Lapidius tat ihm den Gefallen und fragte: »Was sind das für leuchtende Ingredienzien?«
    »Haha! Ich habe mir gedacht, dass Ihr das gerne wüsstet. Aber jeder Pharmazeut hat seine eigenen Rezepte, auf die er schwört und die er niemals preisgeben würde. So ist es auch bei mir. Nur so viel sage ich Euch: Die Pillen wirken Wunder! Ich habe eine Schwägerin, die im vorigen Jahr an Würgehusten litt, monatelang. Schrecklich war es, ganz schrecklich. Niemand konnte ihr helfen, kein Bader, keine Kräuterfrau, kein Medicus. Endlich kam sie zu mir, und ich riet ihr zu meinen Lindenblütenpillen, denn tüchtiges Schwitzen hat noch niemandem geschadet. Was soll ich Euch sagen, es verging keine Woche, da war die Schwägerin wieder gesund wie ein Fisch im Wasser. Da fragt man sich doch, warum sie nicht gleich zu mir gekommen ist. Man will sich ja nicht aufdrängen, aber ich sage immer: Lieber einmal mehr gefragt als einmal zu wenig …«
    »Was macht Ihr da gerade?«
    »Ich rolle die Masse aus.« Unter Veiths kundigen Händen hatten sich dünne, längliche Würstchen gebildet, die er quer auf eine gerippte Schneideplatte

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