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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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legte. Das Schneidebrett darüber ziehend, verkündete er: »Seht, schon ist die Rohform der Pillen entstanden.« In der Tat hatten sich durch den Ziehvorgang mehrere Dutzend kleiner, würfelförmiger Klümpchen gebildet, die Veith nun geschwind aus den Rillen herausklaubte. »Ich könnte diese Arbeit stundenlang machen, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich tue es auch öfter. Natürlich nicht nur mit Lindenblüten. Viel mehr verarbeite ich Mandragora, Spanische Fliege und pulverisiertes Ziegenhorn, also Aphrodisiaka für die Herren der Schöpfung, haha! Ihr glaubt gar nicht, wie schwer es manchmal ist, an diese Substanzen heranzukommen. Nun ja, ich lasse es mir entsprechend bezahlen. Glaubt mir, nur die Reichen, wie der Bürgermeister, die Stadträte, der Richter, der Medicus und einige Kaufherren, sind in der Lage, derlei Pillen regelmäßig zu erwerben. Womit ich nicht gesagt haben will, dass sie es auch tun, beileibe nicht, haha! Und wie steht es mit Euch, wenn ich fragen darf? Habt Ihr Interesse? Ich mache Euch einen guten Preis.«
    Lapidius antwortete nicht. Aber sein Blick sprach Bände.
    »Es war ja nur eine Frage.« Veith gab die Klümpchen in den Pillenformer und strich mit der flachen Hand kreisend über sie hinweg. Kleine, runde Kugeln von hoher Ebenmäßigkeit entstanden auf diese Weise.
    Lapidius kam ein Gedanke. Wenn der Apotheker sich nicht scheute, ihm taktlose Fragen zu stellen, konnte er es umgekehrt genauso tun. »Die Wirkung dieser teuren Pillen ist ja, äh … etwas delikater Natur«, sagte er. »Kommt es vor, dass Ihr sie deshalb persönlich zum Haus des Käufers tragen müsst? Beispielsweise in den Abendstunden?«
    Veith, der gerade die Kugeln in den Pillenbeschichter schütten wollte, unterbrach sein Tun. »Wie meint Ihr?«
    »Nun, es wäre immerhin eine Erklärung, warum ich Euch am Abend des 15. nicht daheim antraf. Zu meinem größten Bedauern, wie ich hinzufügen möchte.«
    »Äh … der 15.? Ach ja. Natürlich, Freitagabend, haha! Tatsächlich, so war es.«
    Lapidius stellte fest, dass einer schon ziemlich dumm sein musste, um nicht zu bemerken, dass der Apotheker log. Vielleicht war er bei seiner Geliebten gewesen oder bei irgendwelchen Zechkumpanen. »Wart Ihr womöglich auch am Abend zuvor schon dieserart beschäftigt?« Lapidius dachte daran, dass in der Nacht von Donnerstag auf Freitag der Mord an Gunda Löbesam geschehen war. Veith sah zwar nicht aus wie ein Meuchler, aber der Teufel hatte viele Gesichter, und die Tote hatte nach Bilsenkraut gerochen, eine Pflanze, die er mit Sicherheit feilhielt.
    Der Apotheker tat zerstoßene Minze in den Pillenbeschichter, verschloss ihn mit der Halbkugel aus Buchsbaum und versetzte beides in kreisende Bewegungen, damit die Minzpartikel an die Kugeln gerieten und daran haften konnten. »Am Abend zuvor? Nicht dass ich wüsste. Hier, Eure Pillen. Sie sind fertig.« Er übergab sein Erzeugnis in einem Döschen.
    »Ich danke sehr. Was bin ich Euch schuldig?«
    Veith nannte eine beträchtliche Summe, doch Lapidius zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken. Er nahm das Behältnis, erhob sich – und setzte sich gleich wieder. Ihm war noch etwas eingefallen. »Ich brauche ein wenig Bilsenkraut.«
    »Bilsenkraut?« Veith pustete die Hängebacken auf. »Wofür?«
    »Ich brauche nicht viel.«
    »Die Menge hängt vom Verwendungszweck ab.«
    »Sicher, sicher.« Lapidius fühlte, wie er ins Schwimmen geriet. Er gab sich einen Ruck. »Nun, warum soll ich es Euch nicht sagen. Ich brauche es für eine junge Frau, die seit kurzem unter meinem Dach wohnt. Die halbe Stadt spricht ohnehin davon. Sie ist unpässlich. Ich möchte ihr helfen.«
    »Mit Bilsenkraut? Diese Pflanze, auch Teufelsauge genannt, darf lediglich in geringen Mengen verabreicht werden. Nur dann ist sie von harmloser, berauschender Wirkung. Bei zu hoher Dosis kann der Tod eintreten. Ist Euch das bekannt?«
    »Ja, allerdings.«
    »Gut, ich gebe Euch eine kleine Menge. Ihr spracht davon, die Frau sei unpässlich. Was fehlt ihr denn? Wurde ein Arzt hinzugezogen?«
    »Ach, nichts weiter. Ich vermute, Frauenschmerzen. Allerdings in starkem Umfang. Sie sagte, sie sei Bilsenkraut gewohnt. Es würde ihr helfen.« Lapidius hoffte inbrünstig, dass ihm die Lüge nicht so ins Gesicht geschrieben stand wie seinem Gegenüber vorhin.
    Veith überreichte eine fingerhutkleine, fein gemahlene Dosis. »Freyja Säckler heißt die Frau, nicht wahr? Ich kenne sie. Als Kräuterhändlerin mag sie mit Bilsenkraut

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