Die Hitzkammer
für deine Gesundheit«, versuchte er es noch einmal.
»Ja«, sagte sie nach einer Weile. »Ich kenn den Apotheker. Hab ihm Kräuter verkauft, weils mein Geschäft ist. Mag ihn nicht besonders. Was kümmerts ihn, wies mir geht?«
»Du hast Recht. Lassen wir das. Ich komme nachher noch einmal zu dir.« Lapidius sperrte zu, stieg mit eingezogenem Kopf die Treppe hinab und ging in die Küche. Marthe stand am Herd und zerstieß Pfeffer für eine Karottensuppe. »Das duftet köstlich«, sagte er und erwartete, dass sie sich über das Lob freute. Doch die Magd verzog keine Miene und erwiderte:
»Bissich fertich bin, dauerts noch ne Weile. Wollt Ihr ne Putterpomme vorwech, Herr?«
»Marthe, Marthe, was ist nur mit dir los?« Ganz gegen seine sonstige Art fasste Lapidius der Magd an die Schulter und rüttelte sie. »Seitdem diese beiden Frauen hier waren, bist du wie umgewandelt. Du singst nicht mehr bei der Arbeit, schwätzt kaum noch auf der Straße und schaust drein, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen. Was hast du nur?«
Die Magd blickte zur Seite. »Nix, Herr. Essis nix.«
»Würdest du das auf deinen Eid nehmen?«
»Ogottogott, Herr, die Suppe wird nie nich fertich, wenn wir so viel reden.« Marthe wand sich aus Lapidius’ Griff und ging zum Küchentisch hinüber, wo sie eine Brotscheibe von der harten Kruste befreite und anschließend dick mit Butter bestrich. »Hier, Herr, erst mal ne Pomme.«
Lapidius setzte sich, brach ein Stück Brot ab und steckte es in den Mund. Marthe rührte bereits wieder in der Suppe. Er betrachtete ihre schneeweiße gestärkte Haube. Was ging in dem Kopf darunter vor? Die Magd legte ein Gebaren an den Tag, das nur den einen Schluss zuließ: Sie fühlte sich unsicher, wurde vielleicht sogar bedroht. Ebenso wie Freyja, die man auf den Scheiterhaufen bringen wollte. Wenn Freyja in Gefahr war, dann war der, der sie beherbergte, es nicht minder. Also er, Lapidius. Er schluckte krampfhaft einen viel zu großen Bissen hinunter, kam keuchend wieder zu Atem und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Das Bilsenkraut. Es schlug eine Brücke zwischen Gunda und Freyja. Beide hatten es bekommen. Von denselben Händen? Am selben Ort? Gunda war zudem vergewaltigt worden; Freyja hingegen wusste davon nichts, weil ihr für den entsprechenden Zeitraum die Erinnerung fehlte. Doch vielleicht gab es eine weitere Parallele zwischen den zwei Frauen. »Marthe?«
»Ja, Herr?«
»Hier ist der Schlüssel. Gehe hinauf zu Freyja und überprüfe ihre Einschmierung.«
»Wie? Wassolln das, Herr? Habs doch erst gestern gemacht.«
Lapidius’ Ton wurde schärfer. »Gehe hinauf und überprüfe die Einschmierung. Besonders am Rücken.«
Marthe gab etwas Unverständliches von sich und rührte im Topf. »Wollts sowieso nich mehr machen mit der Pflegerei, Herr, bin Magd hier un nix anneres, nich? Suppe is fertich.«
»Marthe, jetzt reichts aber! Tu, was ich dir sage!«
»Ja, Herr, ja. Wenns denn sein muss.« Die Magd füllte einen Teller und stellte ihn auf den Tisch. »Ich geh ja schon.«
Lapidius griff zum Löffel, kostete und verbrannte sich prompt die Zunge. Er versuchte es erneut, heftig pustend. Die Suppe schmeckte kräftig nach Karotten und scharf nach Pfeffer, ganz wie er es liebte, doch war er nicht in der Stimmung, das zu würdigen. Zu sehr war er gespannt auf das, was Marthe ihm berichten würde.
Endlich erschien sie wieder auf der Stiege: zuerst die Füße in den Holzpantoffeln, dann der Rock mit Schürze und schließlich die ganze Magd.
»Hast du getan, was ich dir aufgetragen habe?«, fragte Lapidius gespannt.
»Ja, Herr.«
»Und? Ist dir am Rücken etwas aufgefallen?«
»Wieso, Herr?«
»Ja oder nein? Spann mich nicht so auf die Folter.«
»Nein, Herr.«
»Keine Wunden, keine Blutergüsse, nichts?«
»Nee, Herr, nix, nurn paar Flecke vom Liegen.«
»Es ist gut, Marthe. Gib mir den Schlüssel wieder.« Lapidius lehnte sich auf dem Küchenstuhl zurück. Gunda hatte Hämatome auf dem Rücken gehabt. Aber Freyja hatte so etwas nicht. Hieß das, sie war nicht geschändet worden? »Es ist gut, Marthe. Nun gehe deinem Tagewerk weiter nach.«
Statt zu antworten, schrie die Magd auf. Ein ohrenbetäubendes Krachen hatte das Haus im gesamten Gebälk erzittern lassen. Ein Gewitter! Ohne dass beide es bemerkt hatten, war es über Kirchrode aufgezogen, dunkel und dräuend, und sandte nun in rascher Folge Blitze und Donner zur Erde.
Marthe, die von Kindesbeinen an eine Heidenangst vor
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