Die Hitzkammer
nicht.«
»Dann womöglich aus Rachegelüsten? Vielleicht fühlte der Täter sich mit den Filii Satani verbunden und wollte deshalb, dass Angelus Gabrielus ebenfalls zu Tode kommt?«
Vierbusch schnaufte. »Rache? Wer wollte an einem Erzengel Rache üben! Fest steht, dass derjenige sich vor Gott versündigt hat. Allmächtiger, nur ein Teufel in Menschengestalt ist zu so etwas fähig!«
»Oder ein Mensch, der sich als Teufel fühlt«, sagte Lapidius nachdenklich. Die Erinnerung an den Todesschnitt im Hals der Gunda Löbesam drängte sich ihm auf. Bestand hier eine Verbindung? Gab es Mörder, die sich »Söhne des Teufels« nannten und FS in die Stirn der Korbmacherin geschnitten hatten? Wenn ja, bedeuteten die Buchstaben Filii Satani, das war klar. Aber auch Freyja Säckler. Jedenfalls hatte der Pöbel sie so verstanden. War das gewollt? Oder war das nur Zufall? Konnte es überhaupt solche Zufälle geben? Lapidius schwirrte der Kopf. Wieder einmal spürte er, dass er nicht weiterkam.
Vierbuschs Gesicht gewann seine normale Farbe zurück. »Möge dem Hundsfott, der das getan hat, die Hand abfallen! Und gebe Gott, dass er bald dingfest gemacht wird. Allerdings ist auf die Fähigkeiten des zuständigen Büttels kein großer Verlass. Er hat das Bildnis zwar seinerzeit untersucht, aber seitdem nichts unternommen.«
»Ihr sprecht von Krabiehl?«
»Genau von dem.«
Lapidius saß nackt neben dem Athanor und rieb sich die steif gefrorenen Gliedmaßen. Auf dem Weg von St. Gabriel zur Böttgergasse war er in einen heftigen Hagelschauer geraten – nichts Ungewöhnliches zu dieser Jahreszeit, doch höchst unangenehm, wenn man zu leicht gekleidet war und die nackte Kopfhaut nur von einer alten Samtkappe geschützt wurde. Bohnengroße Eiskörner waren auf ihn niedergeprasselt, hatten ihn in wenigen Augenblicken durchnässt und zittern gemacht. Zu Hause angekommen, hatte er Marthe, die in seinem Laboratorium Staub wischte, als Erstes nach trockenen Kleidern geschickt und sich danach splitternackt ausgezogen.
Die Wärme tat ihm gut. Er war sein Leben lang empfindlich gegen Kälte gewesen und nach seiner Syphilisbehandlung durch Conradus Magnus nur umso mehr. Irgendetwas blieb eben immer zurück nach dem Auskurieren der Lustseuche. Er beugte sich vor, um den Zustand seiner Kappe zu überprüfen, die er, über einen Glaskolben gestülpt, nahe am Ofen trocknen ließ. Das Ergebnis stellte ihn zufrieden. Er setzte die Kopfbedeckung wieder auf und fühlte sich gleich um einiges wohler. »Freyj a! «, rief er in Richtung Sprechschacht. »Hörst du mich?«
»Ja«, kam hohl und leise die Antwort. »Wir müssen nachher miteinander reden.«
Freyja schwieg. Stattdessen klopfte es. Das musste die Magd sein. Halt! Wenn sie nun eintrat und ihn in seiner Blöße sah! Mit einem gewaltigen Satz sprang Lapidius zur Tür, öffnete sie eine Winzigkeit und rief: »Danke, Marthe. Gib mir die Kleider gleich hier durch den Spalt.«
»Ja, Herr, wieso …?«
»Schon gut, schon gut. Danke.« Mit sanfter Gewalt drückte er die Tür wieder zu. Marthe gab etwas Unverständliches von sich, entfernte sich dann aber schlurfenden Schrittes. Aufatmend fuhr er in die frischen, nach Natronseife riechenden Wäschestücke, streifte Hose und Spitzenhemd über und abschließend ein Samtwams mit unzähligen Knöpfen. Wieder ein Mensch geworden, sah er als Nächstes nach der Glut im Athanor, befand den Hitzegrad für gut und stieg kurz darauf die Treppe in den Oberstock empor.
Freyjas Gesicht wirkte klein und grau im Licht der geöffneten Klappe. Sie hatte bereits vor zwei Tagen über Wundsein im Mund geklagt, und Lapidius sah, dass ihre Beschwerden stärker geworden waren. Geschwüre saßen auf den Innenseiten der Lippen, hässlich und bedrohlich. Er zwang sich, nicht darauf einzugehen, und schob die Truhe heran. »Da bin ich. Hat Marthe dir zu trinken gegeben?«
»Ja. Mir tut alles weh.«
»Ich werde dir Brühe machen lassen. Marthe soll etwas Pulver von der Weidenrinde hineingeben, das lindert den Schmerz. Ein altes Hausmittel.«
»Ich hätt gern was aus der Flasche.«
»Du meinst die braune Flasche mit dem Laudanum? Das geht nicht. Man soll diese Arznei nur im Notfall nehmen. Je öfter man sie verabreicht, desto schneller gewöhnt sich der Körper an sie und desto größer müssen die Mengen sein, um die gleiche Wirkung zu erzielen.«
»Ja.«
»Du schaffst es auch so. Sag mal, wusstest du, dass die Zeuginnen Koechlin und Drusweiler neuerdings zu
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