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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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glaubte sich in Sicherheit, als ihm einfiel, dass Tauflieb ihn sofort erkennen würde, wenn er zu seinem Hof hinüberlief. Es blieb ihm deshalb nichts anderes übrig, als sich tief ins Gesträuch zu hocken. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass der Meister ihn nicht entdecken möge, und wagte kaum zu atmen.
    »Wo bist du, du Halunke?« Tauflieb erschien auf der Schwelle, wild um sich blickend, doch nichts erkennend, denn es leuchtete nur ein schwacher Mond. Er hielt einen Feuerhaken in der Hand, der einen Ochsen hätte fällen können. »Wo bist du, du Hundsfott? Komm zurück, wenn du kein Feigling bist! «
    Lapidius dachte nicht daran.
    Der Meister beruhigte sich langsam. Offenbar dämmerte es ihm, dass auch für ihn die Situation nicht ganz ungefährlich war, denn er bewegte sich nun vorsichtig, schritt auf dem Hof herum und schaute in alle Ecken und Winkel.
    Lapidius dankte dem Herrgott, dass Tauflieb keine Laterne dabeihatte und dass seine eigene von selbst verloschen war.
    »Wenn ich den erwische«, hörte er den Meister, dessen Schritte sich bedrohlich näherten, »Hackfleisch mache ich aus dem! Zu dumm, dass Gorm nicht im Haus ist. Zu dumm, zu dumm! Wo steckt der Junge bloß wieder? Mitten in der Nacht? Nichtsnutz, der! «
    Tauflieb stand jetzt so nah bei Lapidius, dass dieser ihn ohne Probleme ins Bein hätte zwicken können, was natürlich Unsinn war, aber für einen Augenblick überlegte er ernsthaft, ob er den Meister zu Fall bringen sollte, um ihm danach kräftig eins überzuziehen. Dann wäre Zeit genug zur Flucht. Doch Lapidius wusste: Er war nicht in der Lage zu solch gewalttätigen Handlungen.
    »Ich werde noch ein Weilchen hier warten«, sprach Tauflieb noch immer wütend zu sich selbst. »Manchmal kommt der Dieb an die Stelle zurück, wo er was klauen wollte. Na, der kann was erleben! Dass Gorm auch nicht da ist. Der würde leicht fertig mit dem Halunken …« Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis der Meister endlich aufgab und sich brummend in sein Haus zurückzog. Lapidius fielen Mühlsteine vom Herzen. Er hätte es keinen Augenblick länger ausgehalten. Die Beine waren ihm eingeschlafen, ihn fror gottsjämmerlich, und zu allem Übel plagte ihn ein Niesreiz, den er nur unter Aufbietung sämtlicher Kräfte unterdrücken konnte.
    Aber nun war alles überstanden.
    Und er hatte den Bohrer.

VIERZEHNTER
BEHANDLUNGSTAG
    Die Glocken von St. Gabriel hatten schon zur Mitternacht geläutet, als Lapidius auf leisen Sohlen sein Haus betrat. Er bewegte sich ähnlich geräuschlos wie in Taufliebs Werkstatt, denn er wollte Marthe nicht wecken. Die Magd brauchte von seiner nächtlichen Exkursion nichts zu wissen.
    Sein Laboratorium betretend, nahm er sich vor, sie auch an diesem Morgen wieder fortzuschicken, damit er den Bohrer in Ruhe untersuchen konnte. Ob das Werkzeug ihn zu den Mördern fuhren würde? Lapidius unterdrückte einen Seufzer. Es wurde höchste Zeit, den Geheimnissen um Freyj a auf den Grund zu gehen.
    Das kalte Stück Stahl an seiner Seite klirrte leise. Er lockerte den Gürtel und zog den Bohrer heraus. Wohin damit? Die Vorratsgrube kam nicht in Frage; fürs Erste hatte er genug von sperrigen, herabkrachenden Bodentüren. Am besten, er bewahrte das Stück an einem Ort auf, wo Marthe nicht Staub wischte. Er überlegte rasch, dann hatte er es. Unter seinem Experimentiertisch befanden sich mehrere Klemmen, die er einst für einen Versuch hatte anbringen lassen. Nun kamen sie ihm ein weiteres Mal zustatten, denn er konnte sie nutzen, um den Bohrer unsichtbar unter der Platte zu befestigen.
    Als dies getan war, beschloss er, sich zur Ruhe zu begeben, was nichts anderes bedeutete, als dass er wieder einmal auf seinem Lieblingsstuhl Platz nehmen musste, um den Rest der Nacht sitzend zu verbringen. Er hoffte, er würde nach all den Anstrengungen übergangslos einschlafen können, doch das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich wach wie selten. Das Mysterium um Freyja ließ ihn nicht los. Ereignisse und Begegnungen standen ihm vor Augen, als wären sie erst gestern geschehen. Bilder hatten sich in seine Netzhaut eingebrannt. Menschen und Gesichter. Es gab so viele Personen, die mehr oder weniger verdächtig waren: zuallererst Tauflieb, der barsche Mann, dem alles zuzutrauen war, aber auch Gorm, dessen Besuche sich in letzter Zeit seltsam häuften. Krabiehl, der so bemerkenswert wenig wusste oder wissen wollte. Nichterlein, der Knopfmacher, der einen Ziegenbock ohne Hörner besaß und vorgab,

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