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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nicht aus der Hand geben wollte.
    Er schalt sich selbst dafür. Ich renne mir die Hacken ab, schleppe das schwere Teil auf der Schulter und mache in jeder Hinsicht eine schlechte Figur!, sagte er sich ein ums andere Mal. Ich hätte eine Skizze von irgendeinem Kasten machen und damit zu den Meistern gehen sollen. Ich hätte sie fragen sollen, ob sie mir so etwas bauen können, und sie hätten Ja oder Nein gesagt. Derweil hätte ich mich in Ruhe umgesehen. Hätte der Mann mit Ja geantwortet, hätte ich gesagt, ich wolle noch einmal über den Preis nachdenken, hätte er mit Nein geantwortet, hätte ich sowieso gehen können. Stattdessen schleppe ich einen Dreifuß auf der Schulter und mache mich vor den Leuten zum Packesel!
    Lapidius hielt an, um Luft zu schöpfen, und stellte die Halterung ab. Immerhin hatte er acht der neun Meister besucht, und drei von ihnen – Ehlers sowie ein Zimmerer namens Hartmann und ein Schlosser namens Voigt – verfügten über einen entsprechend starken Bohrer. Der letzte Name in seinem Büchlein war Tauflieb.
    Mit dem Besuch bei dem grantigen Meister stand Lapidius etwas bevor, dennoch schulterte er den Dreifuß erneut und schritt wieder aus. Kurz daraufstand er vor der Tür seines Nachbarn und klopfte.
    »Ja?«, war alles, was Tauflieb hervorquetschte, als er Lapidius öffnete. Er stand in Unterhemd, Hose und Pantoffeln in der Tür. Von besserer Kleidung, um den Sonntag zu heiligen, schien er nichts zu halten.
    Lapidius brachte sein Anliegen vor, diesmal unbeschwerter, da es nun egal war, ob der Meister den Dreifuß bei sich behielt oder nicht.
    »Und wegen so was kommt Ihr am Sonntag?«, grunzte Tauflieb, als er in die Werkstatt voranging.
    »Nun, äh … ich bin, wie Euch bekannt ist, Wissenschaftler und gerade dabei …«
    »Jaj a, ich frage mich nur, warum Ihr den Dreifuß in der Gegend spazieren tragt, statt gleich damit zu mir zu kommen.«
    »Äh … wie?«
    »Ihr seid mit dem Ding doch die Gasse raufgekommen. Hab Euch gesehen.«
    Lapidius fiel darauf nichts ein. Schließlich sagte er: »Könnt Ihr den Fuß richten?«
    Tauflieb knurrte nur. Er hatte die Halterung bereits zwischen die Backen eines Schraubstocks gespannt. Nun bearbeitete er den Fuß mit einem Fäustel. Lapidius nutzte die Gelegenheit, um sich rasch umzublicken. Der Meister war zwar einer der Unfreundlichsten im Lande, aber in seiner Werkstatt herrschte Ordnung, das musste man ihm lassen. Über der Werkbank stand ein in roten Buchstaben abgefasster Spruch:
    Jedwedes Ding bey seynem Orth Ersparet Arbeith, Zeit und Wort.
    In der Tat waren die Tauflieb’schen Werkzeuge wie die Soldaten auf Tischen und an Wänden ausgerichtet, tadellos in Schuss und der Größe nach geordnet. Deshalb brauchte Lapidius nicht lange, um den starken Bohrer zu entdecken, der ihm gegenüber von einem Bord herabhing. Er ging hinüber und betrachtete das Stück näher. Es wog schwer in der Hand, und an seiner Spitze befand sich eine dunkle, krustige Verfärbung, die da nicht hingehörte. Blut?
    Des Meisters Stimme klang scharf herüber: »Lasst das!« »Verzeiht, ich wollte nur …«
    »Gutes Werkzeug gehört nicht in Laienhände.« Tauflieb nahm Lapidius den Bohrer aus der Hand und hängte ihn an seinen Platz zurück. »Nehmt lieber Euren Dreifuß, ich habe ihn gerichtet.«
    »Äh … danke.« Verdattert durch die Abfuhr nahm Lapidius die Halterung entgegen und empfahl sich. Als er aus der Tür ging, hörte er den Meister etwas grummeln, es klang wie:
    »Als ob das nicht bis morgen Zeit gehabt hätte.«
    Irgendwo bellte hartnäckig ein Hund, als Lapidius zu nächtlicher Stunde in Taufliebs Haus einbrach. Er hatte lange überlegt, ob er diesen ungesetzlichen Schritt wagen sollte, aber schließlich keine andere Möglichkeit gesehen, um an den Bohrer heranzukommen. Das Werkzeug, wenn an ihm wirklich Blut klebte, konnte den Meister überführen, und nur das zählte.
    Lapidius hielt eine abgedeckte Laterne in der Hand, von der er hoffte, sie würde ihm genügend Licht spenden. Denn er brauchte nicht nur den Bohrer, er wollte auch den Körper zum Kopf der toten Frau finden. Beides, da war er sicher, würde zu einer Verhaftung des Meisters ausreichen. Und dann wäre Freyj a gerettet.
    Das Eindringen durch die hintere Tür erwies sich als lächerlich einfach. Sie war nicht verschlossen, und Tauflieb als gewissenhafter Handwerker hatte die Scharniere so gut geölt, dass sie nicht quietschten. Dennoch schlug Lapidius das Herz bis zum Hals, als er sich

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