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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Grube und beschäftigte sich erneut mit dem Bohrer. Wieder betrachtete er die Spitze. Sie war der Dreh- und Angelpunkt seiner Beweisführung. Er hatte schon in Taufliebs Werkstatt dunkle Schmierstellen an ihr bemerkt, und auch jetzt war die Verfärbung auf dem metallenen Grund deutlich zu erkennen. Er roch daran, konnte nichts Ungewöhnliches feststellen und dachte: Nun gut, der Beweis, dass es sich um getrocknetes Blut handelt, kann auf diese Art schwerlich erbracht werden. Es verströmt bekanntermaßen keinen Duft; jedes Kind, das einmal eine verschorfte Wunde hatte, weiß das.
    Aber es gab andere Methoden, das Geheimnis der dunklen Verfärbung zu lüften, und Lapidius wandte sie mit der gebotenen Gründlichkeit an.
    Nach der Riechprobe kam die Wasserprobe: Dazu kratzte er einige Bröckchen des braunschwarzen Belags ab und tat sie in ein Schälchen. Anschließend gab er etwas Wasser hinzu. Er wusste, dass er bei dieser Überprüfung nicht mit einer schnellen Reaktion rechnen konnte, weshalb er das Behältnis beiseite stellte und gleich mit der dritten Methode weitermachte.
    Es war die Kupferprobe. Zu ihrer Durchführung bedurfte es einer salzartigen Verbindung des Cuprums, die er sorgfältig auf einen Teil der Verfärbung applizierte. Anschließend wischte er mit einem Lappen über die Fläche. Der Belag verschwand und gab den Blick auf die ursprüngliche Metallfarbe frei. Lapidius schnaufte zufrieden. Kupfersalz war bekannt dafür, dass es Blutspuren beseitigen konnte. Vielleicht, das musste eingeräumt werden, war es auch imstande, andere Substanzen verschwinden zu lassen, aber die Wahrscheinlichkeit sprach hier für Blut. Die vierte Methode kostete Lapidius einige Überwindung. Es war die Geschmacksprobe. Wieder löste er einige Krümel von der Bohrerspitze und steckte sie sich in den Mund. Er schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können, dann drückte er die Bröckchen mit der Zunge gegen den Gaumen. Er tat dies, weil er sie verformen und auflösen wollte. Als es ihm nicht schnell genug ging, zerkaute er die Krümel. Schließlich glaubte er ihn auf der Zunge zu spüren: den typischen Geschmack von Blut. Er spuckte den Schleim in das Schutztuch und wandte sich nunmehr wieder der Wasserprobe zu.
    Auf den ersten Blick schien in dem Schälchen nicht viel geschehen zu sein, doch bei näherem Hinsehen konnte er kleine rosafarbene Wölkchen neben den im Wasser liegenden Krümeln entdecken. Ein Zeichen dafür, dass sich die Substanz auflöste. Und dafür, dass sie selbst ursprünglich Wasser enthalten hatte. Lapidius war bekannt, dass Blut Wasser enthielt, wie überhaupt der menschliche Körper zu einem Großteil daraus bestand. Schon Thales von Milet hatte gesagt, dass alles Leben aus diesem Element hervorgegangen war.
    Lapidius fasste zusammen. Von vier Proben, die er durchgeführt hatte, war die erste, die Riechprobe, ergebnislos geblieben, die drei anderen jedoch sprachen für Blut. Gewiss, keine der Methoden hatte den wissenschaftlich einwandfreien Beweis erbracht – einen solchen gab es auch gar nicht –, aber die Tatsache, dass nicht weniger als drei Prüfungen auf Blut hinwiesen, machte das Ergebnis mehr als wahrscheinlich. Ja, so musste es sein: Taufliebs Bohrer wies an der Spitze Blutspuren auf.
    Plötzlich spürte Lapidius bleierne Müdigkeit. Er hatte wenig geschlafen, und die Natur forderte ihr Recht. Sollte er noch einmal nach Freyja sehen? Nein, das konnte er später tun. Sollte er seine Erkenntnisse schon dem Rat der Stadt mitteilen, damit Tauflieb verhaftet wurde? Nein, auch das hatte noch Zeit. Der Meister lief ihm nicht weg, und überdies schien es klüger, zunächst die Höhle mit den Stalaktiten ausfindig zu machen. Wenn es denn eine solche gab. Also klemmte Lapidius den Bohrer wieder unter den Tisch und schlief augenblicklich ein.
    Wenig später war Marthe vom Markt zurück. Geräuschvoll schloss sie die Haustür hinter sich und rief: »Essis nich zu glauben, Herr, was Schweinernes nu kostet, sollichs Euch verra… ohhh! Tschuldigung, tschuldigung …«
    Auf Zehenspitzen entfernte sie sich in die Küche.
    Als Lapidius erwachte, war es schon später Nachmittag. Zu spät, um noch die Stadt zu verlassen und in den Bergen nach einer Höhle zu suchen. Er streckte die steifen Glieder und begab sich in die Küche. Marthe war gerade dabei, die Bratensoße abzugießen. Lapidius schnupperte: »Donnerwetter, das riecht aber köstlich!«
    »Hooach!      

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