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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ertragen werden. »Wo befinden sich die Höhlen?«
    Der Alte sträubte sich noch ein wenig, beschrieb aber dann die Örtlichkeiten genau.
    »Das waren vier. Wo ist die Sabbathöhle?«
    Wieder das Zögern. Lapidius wartete gespannt. Endlich meinte Holm: »Die is im Otternberg, hu… hunnert Fuß unterm Gipfel. Die höchste von allen. Wenndu oben bis, da isn dicker Felsbrocken, kugelrund un … un so dick, dass zehn Mann nich mitn Armen rumkommn. Den musste finden un dich so stelln, dassde inner Flucht mit der Buche vonner Zi… Zirbelhöh stehst, dann sins neununzwanzich Schritt hinterm Felsbrocken, hupps … musste dir merken, sonst fi… findste den Eingang nich.«
    »Gut, ich danke dir.« Lapidius wandte sich wieder ab. Für einen Augenblick fragte er sich, warum der Alte sich mit den Angaben zur fünften Höhle so schwer getan hatte, dachte dann aber daran, wie er die Hinweise am besten verwerten konnte. Wenn Freyja von den unbekannten Augen und Händen in eine Höhle gebracht worden war – wohlgemerkt: wenn –, dann konnte es theoretisch jede sein. Es sei denn, es gelang ihm, die Möglichkeiten einzugrenzen. Natürlich! Fast hätte Lapidius sich vor den Kopf geschlagen. Warum hatte er nicht gleich nach einer Höhle mit Steingesicht und Stalaktiten gefragt? So dumm wie er konnte kein Zweiter sein. »Hör mal, birgt eine der Höhlen so etwas wie ein Steingesicht?«
    »Hä?«
    Der Alte glotzte so verständnislos, dass Lapidius sich weitere Fragen in diese Richtung ersparte. »Oder Stalaktiten? Weist eine Stalaktiten auf?«
    »Hupps … nee.« »Du weißt doch, was Stalaktiten sind?«
    »Ja, ja, weißich.«
    Lapidius fühlte herbe Enttäuschung. Die ganze Zeit hatte er den Alten ausgequetscht, und noch immer wusste er nicht, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Keine der Höhlen wies Tropfsteinzapfen auf. Das hieß, keine kam für seine Nachforschungen in Frage. Keine? Halt! Hatte Holm nicht gesagt, er kenne die Sabbathöhle nicht? Richtig, von ihr wusste er nur, wo der Eingang war, mehr nicht. Das bedeutete: In dieser Höhle konnte es Stalaktiten geben. Und vielleicht auch das Steingesicht.
    »Sag einmal, Holm, könntest du mich hinaufbringen zur Sabbathöhle?«
    »Nee, kannich nich.« Der Alte knetete wieder die Hände. »Warum nicht?«
    »Ich kanns nich.«
    Lapidius holte einen Taler hervor und hielt ihn Holm unter die Nase. »Es wäre mir auch etwas wert.«
    »Ich kanns nich, ich kanns nich, ich kanns doch nich! « In des Alten Gesicht tobte ein Sturm. Sicher malte er sich aus, wie viel herrliche Kannen Bier er für einen Taler im Querschlag bekäme. Und dennoch schlug er ihn aus. Es musste ein furchtbarer Grund sein, der ihn so handeln ließ.
    »Sage mir, warum du es nicht kannst.« Das Geldstück lockte weiter.
    »Essis … Essis nich möchlich«, krächzte der Alte, der jählings nicht mehr alkoholisiert zu sein schien. »Dort spukts, die Hexen gehen um, Besenreiterinnen, Unholde, Trolle …«
    Lapidius steckte die Münze wieder ein. »Lass gut sein, Holm. Ich kann dich nicht zwingen. Vielleicht sehen wir uns nachher noch einmal.« Er stand auf, und zu seiner Überraschung erhob sich auch der Alte. Lapidius dachte schon, Holm hätte es sich anders überlegt, als er dessen verzweifelten, verlangend auf den Krug gerichteten Blick gewahr wurde.
    Da gab er ihm den Taler doch. Die Tür zum Haus der schiefen Jule stand weit offen, weshalb Lapidius ohne zu klopfen eintreten konnte. Er hatte sich entschlossen, nach der verkrüppelten Frau zu sehen, da ihre Holzhütte direkt auf dem Weg zum Otternberg lag. »Hallo!«, rief er. »Hallo?«
    Die schiefe Jule gab keine Antwort. Vielleicht hielt sie sich hinter dem Haus auf.
    »Hallooo?«
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Lapidius blickte sich um. Und dann fiel ihm auf, dass einer der beiden Obstpflückerkörbe mit den überlangen Stabilisierungsstangen fehlte. Ein Diebstahl!, war das Erste, was ihm durch den Kopf schoss. Unsinn!, sein nächster Gedanke. Er schalt sich für seine überspannten Sinne. Die schiefe Jule stellte ihre Waren her, um sie zu verkaufen, und nichts deutete daraufhin, dass mit dem verschwundenen Korb etwas anderes geschehen war. »Hallooo?«
    Lapidius schob sich an dem verbliebenen Korb-Ungetüm vorbei ins Innere der Hütte und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Er wusste j etzt, was aus dem fehlenden Stück geworden war: Es stand unten in Kirchrode. In Taufliebs Werkstatt. Tauflieb, immer wieder Tauflieb! »Hallooo, Jule, bist du da?«
    Sie

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