Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
gesunken.
Ohne abzuwarten, ob sie die Besinnung wieder bekäme oder nicht, marschierte das Kommando mit seinem Gefangenen ab in der Richtung auf Dunbarton. In Dalmally, dem nächsten Dorfe, wurde Rast gemacht, um die Leiche des unglücklichen Sergeanten durch ein paar Bauern holen zu lassen und den Vorfall beim Ortsrichter anzuzeigen.
Von diesem bekam das Kommando Weisung, weil das Verbrechen an einem Soldaten begangen worden, unverzüglich mit dem Mörder nach Dunbarton zu marschieren.
Sechzehntes Kapitel.
Hamishs Mutter lag lange in Ohnmacht, vielleicht um so länger, weil die Kraft ihres Körpers durch die Überreizung ihres Gemüts während der letzten drei Tage völlig aufgerieben sein mußte. Endlich weckten sie Weiberstimmen aus ihrer Starre. Der Coronach oder die Totenklage, Wehrufe im Verein mit Händeklatschen, schlug an ihr Ohr, und gleich darauf, auf der Sackpfeife geblasen, die Klänge des dem Clan der Camerons eigentümlichen Trauergesanges.
Elspat fuhr erschreckt auf, wie vom Tode erwacht, völlig außerstande, sich der schrecklichen Szene, die sich vor ihren Augen abgespielt hatte, zu erinnern.
Es waren Weiber in der Hütte, beschäftigt, den Leichnam in das blutige Plaid zu wickeln, ehe er von der Unglücksstätte hinweggeschafft würde.
»Sagt mir, ihr Weiber,« lallte sie, aufspringend, »warum singt ihr Mac Dhoneril Dhus Grablied im Hause von Mac Tavish Mhor?«
»Schweige, du Wölfin, mit deinem unheilvollen Gekreisch,« rief eines der Weiber, eine Verwandte des Gemordeten, »und hindere uns nicht in der Ausübung unserer Pflicht gegen unseren geliebten Verwandten. Nie soll ein Klagelied erschallen um dich und deine blutige Wolfsbrut. Die Raben werden ihn vom Galgen fressen, deinen schönlockigen Hamish, und deine Leiche sollen Füchse und Wildkatzen auf den Bergen zerreißen. Verflucht sei, wer deine Gebeine segnet oder einen Stein dir auf das Grab wälzt!«
»Tochter einer törichten Mutter,« versetzte die Witwe van Mac Tavish Mhor, »wisse, daß der Galgen, mit dem du uns drohst, kein Teil unseres Erbes ist! Dreißig Jahre lang gelüstete den schwarzen Gesetzespfahl, an dem statt Äpfel Menschenleichen hängen, nach dem Geliebten meines Herzens, aber er ist als braver Mann mit dem Schwert in der Faust gestorben und hat den schwarzen Pfahl um seine Hoffnung und Frucht betrogen.«
»Mit deinem Kinde aber wird es solches Ende nicht nehmen, du blutige Hexe!« versetzte das Klageweib, dessen Leidenschaftlichkeit um nichts geringer war als die Elspats; »denn ihm werden die Raben die Locken in Strähnen ausreißen und ihre Nester damit füttern, noch ehe die Sonne hinter den Inseln verschwindet.«
Durch diese Worte kamen der unseligen Mutter die Ereignisse der drei letzten gräßlichen Tage in das Gedächtnis zurück. Zuerst stand sie da, starr wie eine Säule, ganz als ob sie der höchste Grad menschlicher Pein in Stein verwandelt hätte. Bald aber erwachten Stolz und Heftigkeit wieder, weil sie meinte, in ihrem eigenen Haus und Hof gelästert worden zu sein, und sie versetzte:
»Ja, du greinende Unholdin! Sterben wird mein schönlockiger Sohn, aber nicht mit weißer Hand, denn er hat sie getaucht in Feindesblut, in bestes Cameron-Blut! Das bedenke, du Unholdin! Und bettet ihr euren Toten ins Grab, so sei seine Grabschrift, daß Mac Tavish Mhors Sohn Hamish Bean ihn erschlug, weil er Hand an ihn an seinem Herde legen wollte. Lebt Wohl! Die Schande der Niederlage bleibt haften an dem Manne, der sie erlitt!«
Die Verwandte des Gemordeten wollte Antwort mit verstärkter Stimme geben. Aber Elspat, die das Wortgefecht nicht weiter führen mochte, die vielleicht auch fühlte, daß der Schmerz sie zu überwältigen und unfähig zu machen drohte, ihren Zorn in Worte zu kleiden, hatte die Hütte verlassen und rannte im Mondschein auf und davon.
Die Weiber, die sich mit der Leiche des Gemordeten befaßten, ließen ihr trauriges Werk im Stiche, um der zwischen den Felsen dahinwankenden hohen Gestalt nachzusehen.
»Mir ist es recht, daß sie weg ist,« sprach eine jüngere, »denn lieber schon hülle ich eine Leiche in ihre Tücher und stände, Gott sei bei uns! der Böse selber sichtbar vor uns, als daß ich die »Elspat vom Baume« in unserer Mitte sehe. Ja, ja! Mit dem bösen Feind hat die im Leben schon viel Verkehr gehabt!«
»Törin!« erwiderte das Weib, das mit Elspat das Wortgefecht geführt hatte, »meinst du, es gebe einen schlimmeren Feind auf oder unter der Erde, als den Stolz und
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