Die Hochzeit meiner besten Freundin
könnte meinen, ich sei Legasthenikerin, wenn man sieht, wie ich die großen, fetten, schwarzen Buchstaben einfach übersehe und mich freudig in den gefährlichen Abgrund stürze.
Ich kann einfach nicht anders.
Ich könnte den Job aufgeben, aber erklären Sie das mal Amanda und Nicky.
Außerdem will ich ihn nicht aufgeben.
Wenn ich meine ganze Freizeit nicht damit verbringen würde, wie ein übereifriger James Bond durch die Gegend zu jagen, dann könnte es mir wirklich gefallen, dort zu arbeiten. Und in einigen Monaten bin ich vielleicht dankbar für diese Arbeit, denn meine andere Karriere kann ich nicht ewig beibehalten.
Die Bezahlung im »Daisy’s« ist gut, die Arbeitszeit ist flexibel, ich mag meine Kollegen, Ben ist toll, Dot und Abi sind echte Freundinnen, und die anderen sind ein klasse Haufen. Und was den Chef betrifft... wowww! Komm auf den Boden, Mädchen.
Ich werde einfach so tun müssen, als würde ich nichts für ihn empfinden, ihm gegenüber und vor allem mir selbst gegenüber. Verdrängen mit einem großen V wie in »Verwerflich«.
Ich könnte es mit Beruhigungstabletten in meiner Pepsi versuchen oder mit einer Anti-Hormontherapie.
Wenn er vorbeikommt, atme ich gierig ein, als hätte ich mich gerade in die Bäckereiabteilung von Sainsbury’s verirrt. Entweder das, oder ich drücke mich seitlich aus seinem Blickfeld wie ein Krebs, der hastig den nächsten Felsen ansteuert.
Ich weiß auch nicht, was mit mir nicht stimmt.
In letzter Zeit habe ich plötzlich eine vehemente Leidenschaft für Mokka-Walnusscreme entwickelt, und die ist viel leichter zu befriedigen als diese Leidenschaft hier. Das ist eine neue und ziemlich beängstigende Erfahrung. Eine wahre Sintflut an Gefühlen, die mich durchnässt haben wie eine gut gezielte Wasserbombe.
Ich will diesen Mann.
Ich will diesen Mann mehr als alles andere in meinem Leben.
Mehr als Schokolade.
Mehr als das Pferd, das ich mit sieben haben wollte.
Mehr als Simon Le Bon, den ich mit dreizehn haben wollte.
Mehr als das Auto, das ich nach meiner Führerscheinprüfung haben wollte.
Zugegeben, das mit der Verdrängung klappt nicht.
Dann gehe ich ihm eben aus dem Weg.
Kommt er zur einen Tür herein, schieße ich prompt aus einer anderen hinaus. Sobald ein Fass ausgewechselt werden muss, melde ich mich freiwillig, damit ich mich eine Weile im Keller rumdrücken kann. Jedes Mal, wenn die anderen zusammen ausgehen, erkläre ich mich freiwillig dazu bereit, im »Daisy’s« die Stellung zu halten und die Aushilfskräfte zu überwachen.
Wenn er kommt, um abzuschließen, schlüpfe ich heimlich zur Tür hinaus wie ein Verurteilter aus einem offenen Gefängnis, statt noch zu bleiben, um an einem der zu einer Art Gewohnheit gewordenen Trinkgelage teilzunehmen.
Ich habe mir sogar überlegt, ob ich nicht anfangen soll zu rauchen, damit ich eine Entschuldigung dafür habe, alle halbe Stunde nach draußen in die Seitengasse zu verschwinden und mich hinter der Mülltonne zu verstecken.
Dot taucht zu einer Pinkelpause im Damenklo auf, wo sie mich einmal mehr auf dem Rand des Waschtisches hockend antrifft, während ich das letzte Stückchen Nagelhaut an meinem linken Daumennagel abknabbere.
»Entweder du hast eine schwache Blase oder du versteckst dich mal wieder vor einem ganz bestimmten Jemand«, tadelt sie mich von der Klokabine aus.
»Ist das so offensichtlich?«
Dot verlässt die Kabine, wäscht sich die Hände und hievt ihren Hintern neben meinem auf den kalten, weißen Waschtisch.
»Du bist wirklich die einzige Frau, die ich kenne, die vor Eddie Farrar davonläuft, statt sich ihm in die Arme zu werfen.« Sie zieht eine verknitterte Packung Zigaretten aus ihrer Tasche und zündet sich eine an. »Warum gehst du ihm ständig aus dem Weg, Annabelle? Es ist offensichtlich, dass ihr zwei aufeinander abfahrt.«
»Genau deshalb gehe ich ihm ja aus dem Weg«, murmele ich und mache mich über meine andere Hand her. Deshalb und wegen einer gewissen blonden Verrückten namens Mad Manda.
»Ach?« Dot runzelt die Stirn und sieht mich wissend an. »Hör mal, ich weiß ja, dass ihm sein Ruf vorauseilt, aber vertrau mir, Belle, wenn ich sage, dass er ihn nicht verdient. Eine ganze Menge dieser Gerüchte sind die Folge bloßen Wunschdenkens. Vertrau mir, ich kenne Eddie, seit er ein Kind war. Er ist ein lieber Kerl.«
Zwei »Vertrau mir« in einer so kurzen Rede, da schrillen bei meinem angeborenen Misstrauen sofort die Alarmglocken.
»Seit wann betätigst du
Weitere Kostenlose Bücher