Die Hochzeit meiner besten Freundin
dass wir den Mist nicht mit Wodka zum Frühstück runterspülen, okay?«
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagt sie seufzend, »ich werde schon nicht zur Säuferin, Belle.«
»Warum einigen wir uns nicht für alle Fälle darauf, dass wir einen glorreichen Abend lang in Selbstmitleid baden, an dem du so viel trinken kannst, wie du willst, und die Sache dann abhaken? Was hältst du davon?«
»War dieser glorreiche Abend etwa gestern schon?«
»Ah-hmm.« Ich nicke.
»Also, für eine Vorankündigung wäre ich dir dankbar gewesen. Wenn ich gewusst hätte, dass das meine einzige Chance war, dann hätte ich noch eine Packung Kleenex und eine Flasche Brandy verbraucht.«
»Sehe ich da etwa den Ansatz eines Lächelns?«
»Nein.« Nickys Unterlippe fängt wieder an zu zittern und verkündet so die Ankunft weiterer Tränen.
»Ach, Belle, ich komme mir so. so. nutzlos, so. überflüssig vor. Ich meine, kannst du dir vorstellen, dass er noch nicht einmal angerufen hat oder vorbeigekommen ist? Versucht hat, mit mir Kontakt aufzunehmen?«
»Das ist pure Feigheit. Was soll er dir auch sagen?«
»›Entschuldigung‹ wäre für den Anfang nicht schlecht«, platzt Nicky heraus.
»Meinst du, er kennt dieses Wort?«
Die Türklingel hallt in dem hohen Wohnzimmer wider und lässt uns beide zusammenzucken.
Wir sehen uns an. Keine bewegt sich.
Wieder klingelt es, dieses Mal länger und hartnäckiger.
»Wenn das dieses verdammte Schwein ist, dann will ich ihn nicht sehen«, kreischt Nicky, schnappt sich eine Packung Tempos und eine halb geleerte Tüte Malteser aus der Obstschale auf dem Tisch und verlässt fluchtartig den Raum.
Doch es ist gar nicht dieses verdammte Schwein.
Als ich zaghaft die Wohnungstür aufmache, bereit, sie sofort wieder zuzuknallen, sehe ich statt des erwarteten verdammten Schweins eine verdammt liebe Person.
Wuscheliges, goldbraunes Haar, das sich aufgrund der Länge lockt, verschwommene blaue Augen, unter denen durch ständigen Schlafmangel dunkle Ringe liegen – eine engelsgleiche Schönheit, die nur von einer beim Rugby gebrochenen Nase gestört wird. Er sieht aus wie ein Cherub, der mehrmals am Wegesrand hingefallen ist, und das in der Regel im Zustand der Trunkenheit.
»Jamie!«, quietsche ich und werfe mich dem Neuankömmling mit dem Enthusiasmus eines Olympiatauchers entgegen, der die Goldmedaille im Blick hat und sich vom Zehnmeterbrett stürzt.
Neben Nix ist mein Stiefbruder Jamie einer meiner besten Freunde auf der ganzen Welt. Er ist der Sohn des vierten Ehemanns meiner Mutter. Es ist ihnen gelungen, mindestens fünf Jahre zusammen zu bleiben, weshalb wir eine Zeit lang gemeinsam aufgewachsen sind. Als die Ehe auseinander ging, haben Jamie und ich es irgendwie geschafft, in Kontakt zu bleiben. Stabilität in einer Welt heiratswütiger Eltern. Schon komisch, aber ich stehe ihm näher als meinem Halbbruder Adrian, der genau betrachtet von meinem eigenen Fleisch und Blut ist. Aber Jamie und ich sind gleich alt und haben viel gemein – dazu gehören auch völlig gestörte Familien -, während Adrian zehn Jahre älter als ich und in meinen Augen ein totaler und absoluter Schwachkopf ist.
Blut ist ganz sicher nicht dicker als Wasser. Dafür ist Adrian dicker als Jamie, der gerade seinen Facharzt macht, obwohl er entzückend schusselig aussieht.
Ohne Umstände schließt er mich in seine bärenstarken Arme, anschließend kommt die übliche lautstarke Begrüßungszeremonie.
»Wie braun du bist!«
»Wie groß du bist.«
»Du hast abgenommen.«
»Und du hast zugenommen!«
»Hast du mich vermisst?«
»Nein.«
»Du hättest öfter anrufen können, altes Haus.«
»Du hättest ja öfter schreiben können!«
Als wir schließlich aufhören, uns gegenseitig zu erdrücken und mit zärtlichen Vorwürfen zu betexten, erkundigt sich Jamie nach Nicky.
»Wie geht’s der Patientin?«
Wie sie es vorhergesagt hat, wurden die Buschtrommeln anscheinend bereits laut und ausdauernd geschlagen.
»Hast du es schon gehört?«
Er nickt.
»In demselben Gespräch, in dem ich darüber aufgeklärt wurde, dass du endlich wieder zu Hause bist. Warum hast du mich nicht angerufen, Belly?«
»Tut mir Leid, aber ich glaube, die Antwort darauf kennst du schon. Ich war beschäftigt.«
Jamie grinst mitfühlend.
»Also, wie geht’s ihr?« »Da hilft nur noch Morphium.«
»Das hab ich mir schon gedacht.« Er zieht eine in Papier gewickelte Flasche aus den Falten seiner Jacke.
»Nachschub«, sagt er und
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