Die Hochzeit meiner besten Freundin
kennen gelernt habe, war er einunddreißig, und ich stand auf ältere Männer: selbstbewusst, souverän, etabliert, eben ein Mann und kein Junge.
Jetzt, da er sich ständig dem gesetzten Alter nähert, sieht er nicht mehr angenehm reif aus, sondern alt.
Und jetzt, da ich selbst älter geworden bin, wird mir klar, dass ich, statt ihn selbstbewusst und souverän zu finden, eher das Selbstgerechte und Arrogante an ihm hätte erkennen müssen.
Meine Mutter springt von ihrem Stuhl auf und bricht in einen Wortschwall aus.
»Ach du lieber Gott, sieh mal, wer da ist! Simon! Wenn man vom Teufel spricht! Gerade haben wir von dir gesprochen, nicht wahr, Annabelle, Liebes? Dir müssen die Ohren geklungen haben, und schon bist du da – in Person! Was für ein netter Zufall!«
Dieser Zufall ist ungefähr so nett wie eine geplatzte Überraschungsparty zum Geburtstag.
Er schauspielert schlechter als meine Mutter.
Simon: »Hh-hm (räuspert sich nervös), ich wollte gerade einen Happen essen.« Er klingt, als würde er im Englischunterricht in der Mittelstufe vor seinen kichernden Mitschülern und einem übertrieben begeisterten Lehrer eine Theaterrolle lesen.
Mutter: »Warum setzt du dich nicht einfach zu uns?« Dawn French, die Baby Jane mimt.
Simon (total hölzern, liest jetzt von seinen Manschetten ab): »Oh, nein, ich will mich doch nicht aufdrängen.«
Mutter (großzügig gestikulierend): »Aber ich bitte dich, es wäre uns ein großes Vergnügen. Setz dich doch.«
Simon (ganz höfliche Unterwürfigkeit): »Wirklich?«
Mutter: »Wir würden uns freuen, wenn du dich zu uns gesellst, nicht wahr, Annabelle, Liebes?«
Lieber würde ich mit einem ganzen Schwarm wütender Bienen und nichts als einer kleinen Honigwabe zwischen uns zu Mittag essen.
»Oh, ich weiß nicht, es wäre wirklich unhöflich, Simon von seinen Bekannten fortzuholen. Er ist doch sicher nicht allein hier, Mutter.«
Ertappt!
Ganz offensichtlich haben sie an keine plausible Erklärung gedacht, warum Simon ausgerechnet in dem Restaurant auftauchen soll, in dem wir gerade essen.
Schlechte Vorbereitung.
Mutter hat geschlampt.
Dabei ist sie normalerweise so gründlich. Aber schließlich hatte sie auch nicht viel Zeit, dieses Treffen zu organisieren. Ich habe sie ja erst gestern Abend angerufen. Sie muss sofort mit Siewissen-schon-wem telefoniert haben, um dieses »zufällige« Treffen zu organisieren.
Warum die ganze Mühe?
Anscheinend hat sie einen Auftrag zu erfüllen: Die Zeit vergeht, und ihre Tochter funktioniert noch immer nicht nach Plan.
Ihr sind zwei Jahre Manipulationen entgangen, und jetzt will sie mir im Verlauf eines einzigen Mittagessens einen Mann, ein Heim und eine Karriere verpassen.
Das Erschreckende daran ist, dass sie es auch schaffen wird, so wie ich sie kenne. Mit meiner Einwilligung. Aber wer behauptet hier, ich willige ein? Sie ist doch diejenige, die Simon so wunderbar findet, nicht ich.
Verlorene Liebesmüh. Selbst wenn mir der Kerl gefallen würde – was er nicht tut -, passen wir nach wie vor nicht zusammen. Ich wollte immer ausgehen, mich betrinken und Spaß haben bis zum Umfallen, er dagegen saß im Mantel in der Ecke und war bereit, um zehn nach Hause zu gehen.
Ich habe fünf Monate gebraucht, um zu erkennen, dass Simon und ich das am schlechtesten zueinander passende Paar seit Jekyll und Hyde sind.
Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, er ist kein kompletter Idiot oder so etwas. Er ist nur so. so. ganz anders als ich, das ist wohl die beste und gerechteste Art, es auszudrücken. Er ist wie dieses Kleid, das man einem Impuls folgend im Schlussverkauf findet, das man nicht umtauschen kann und bei dem man dann bedauert, dafür Geld verschwendet zu haben. An einer anderen Person könnte es einfach umwerfend aussehen, doch es ist dazu bestimmt, versteckt ganz hinten im Kleiderschrank dahinzuvegetieren, weil man darin wie eine schlecht gestopfte Nackenrolle aussieht.
Trotz eines peinlichen Moments, in dem krampfhaft nach einer plausiblen Entschuldigung gesucht wurde, wie nach einem verlorenen Mantel bei einer Party, sitzt der »schlecht passende Impulskauf« mir jetzt gegenüber und stochert in einer Riesenportion Lasagne mit reichlich Knoblauch herum.
Mutter entschuldigt sich und verschwindet in Richtung Damenklo. Simon und ich bleiben allein zurück.
Als er bei einem Ober eine weitere Flasche Wein bestellt, schiele ich zu ihm hinüber, mustere die Gesichtszüge, den Körper, versuche mich daran zu
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