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Die Hochzeit meiner besten Freundin

Die Hochzeit meiner besten Freundin

Titel: Die Hochzeit meiner besten Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Lächeln abringe, von dem ich hoffe, das es rüberkommt, als wäre ich noch erfreut, sie zu sehen, ich hauche ihr einen Kuss auf beide Wangen, haste zur Beifahrerseite und steige ein.
    Sie lässt sich neben mir nieder, steckt den Schlüssel ins Zündschloss und sieht mich an, während sie den Motor aufheulen lässt.
    »Du bist es wirklich. Ich musste erst zweimal hinsehen, um sicherzugehen.«
    Auch ihr Sarkasmus ist unverändert.
    »Ich dachte, du reist in den Fernen Osten. Stattdessen bist du wohl aus dem Flugzeug geradewegs in die Vergessenheit entschwunden.«
    »Bangkok, um genau zu sein, aber du warst nah dran.«
    Humor. Ein Selbstverteidigungsmechanismus, der meiner Mutter gegenüber völlig unangebracht ist, da diese spezielle menschliche Fähigkeit ihr absolut fremd ist.
    Sie wirft mir einen düsteren Blick zu und setzt den Wagen ziemlich abrupt in Gang. Sie kreuzt die Autos auf der Gegenfahrbahn in dem halsbrecherischen Vertrauen darauf, dass ihr schon alle ausweichen werden, und das, obwohl sie diejenige ist, die die Verkehrsregeln bricht.
    Meine Mutter fährt einen funkelnagelneuen Mercedes SL.
    Jedes Jahr hat sie einen neuen Wagen; in ihren Augen handelt es sich dabei einfach um ein modisches Accessoire wie eine Handtasche, ein Lippenstift oder etwas in der Art. Entweder die Farbe ist »in« oder das Auto ist »out« und verschwindet aus ihrem Leben.
    Obwohl ihr Geschmack dem letzten Schrei von YSL, D&G und den berühmten Doppel-CCs entspricht, ist ihr Fahrstil leider nicht auf der Höhe. Sie gehört einer Zeit an, als noch ein kleiner Mann mit einem großen Hut vor dem Auto her spazierte und eine rote Flagge schwenkte und als man immer und überall ungeachtet des Verkehrs und der Geschwindigkeitsbegrenzungen dreißig Kilometer pro Stunde fuhr.
    »Jeder Tölpel meint, Rennen gegen mich veranstalten zu müssen, nur weil ich einen Sportwagen fahre«, jammert sie, nachdem sie sich einen Weg auf die andere Straßenseite gebahnt hat. Dann schleicht sie mit der Geschwindigkeit einer arthritischen Schnecke über die Straße. Eine ganzer Reihe anderer Wagen nutzt ein Verkehrsloch, um auf der Gegenfahrbahn an ihr vorbeizurauschen.
    »Ich bin sehr enttäuscht von dir, Annabelle«, lautet ihr nächster Kommentar. »Ich hatte wirklich gehofft, dass dieser Auslandsaufenthalt dir helfen würde, erwachsen zu werden, aber dem ist ganz offensichtlich nicht so. Ich kann einfach nicht glauben, dass du seit über einem Monat zurück bist und dir nicht einmal die Mühe gemacht hast, mich anzurufen. Weißt du überhaupt, was das für mich heißt, was für Sorgen ich mir gemacht habe? Ich verstehe sowieso nicht, was dich dazu bewogen hat, überhaupt zu verreisen. Schließlich ist es nicht so, als ob du auf eigenen Füßen stündest, du warst doch immer total verantwortungslos...«
    Ich beuge mich vor und drehe die Heizung bis zum Anschlag auf. Ich hatte ganz verdrängt, wie das ist, wenn man eine Gänsehaut bekommt. In den vergangenen zwei Jahren habe ich eine ganze Menge Sachen verdrängt. Eine davon war der Grund, warum ich überhaupt nach Australien gegangen bin. Doch meiner Mutter ist es eine Ehre, mich daran zu erinnern. Ihr zufolge wollte ich der Verantwortung entgehen, mich der Notwendigkeit entziehen, erwachsen zu werden und zu beschließen, was ich mit meinem Leben anfangen will.
    Was ist so falsch daran, nicht zu wissen, was ich machen will? Nicht dem gängigen Weg durchs Leben zu folgen, den die meisten Menschen anscheinend ganz selbstverständlich einschlagen?
    Ich komme mir vor, als würde ich angeklagt. Es wird erwartet, dass jeder den gleichen Weg geht. Geburt, Schule, Arbeit, Heirat, Kinder, Midlife-Crisis, Rente, Tod. Wenn wir uns selber von weit weg beobachten würden, dann sähen wir bestimmt wie ein Haufen Arbeiterameisen aus, die einem anscheinend sinnlosen Muster folgen und durcheinander wuseln.
    Als ich geboren wurde, hat mein Großvater angeblich in seiner eigenen, unnachahmlichen Art in meine Wiege geschaut und behauptet, dass dieses Kind entweder ein Genie oder ein Idiot werden würde. Tja, ich bin todsicher kein Genie, was also bleibt da noch?
    Ich sage Ihnen, was bleibt. Fünfundzwanzig, heimatlos, arbeitslos und völlig orientierungslos, das bin ich. Ich habe wohl geglaubt, dass ich ins Ausland gehen und nach meiner Rückkehr schon wissen werde, was ich aus meinem Leben machen will.
    Vielleicht bin ich einfach eine Spätzünderin. Das wird es sein. Ich habe keinen BH benötigt, bis ich vierzehn war,

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