Die Hochzeit meiner besten Freundin
kommt aus der Küche, streckt mir die Zunge heraus und stopft mir die verbleibende Croissanthälfte in den Mund, um mich zum Schweigen zu bringen.
»Ooh, toll!«, ruft sie begeistert. »Wer immer die geschickt hat, meint es ernst, das sind ja mindestens drei Dutzend!«
Eifrig zieht sie die kleine weiße Karte ab, die an der Zellophanfolie befestigt ist, und liest die Nachricht.
»Belle... die sind gar nicht für mich. Die sind für dich.«
»Für mich?«
Sie nickt.
»Von Simon.«
»Simon?«, wiederhole ich dumpf.
Herzlichen Dank, Eddie Farrar, für deine freundliche Einmischung!
Nicky hält mir die Karte hin.
Automatisch greife ich danach, doch statt sie zu lesen, starre ich auf die Schrift und den Riesenstrauß roter Rosen, den Nicky immer noch im Arm hält.
»Er will dich zum Abendessen einladen.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Warum laden Männer Frauen normalerweise zum Essen ein?«
»Sex wahrscheinlich«, ruft Amanda aus der Küche, bricht ihr zweites Croissant entzwei und streicht fingerdick Butter auf den warmen Teig.
Ich hatte fast vergessen, dass sie da ist.
Ein kurzer Augenblick der Seligkeit.
»Soll er nur kommen«, maule ich. »Es braucht schon mehr als nur ein paar Blumen, damit ich wieder versucht bin, Hand an seine Feinrippunterhosen zu legen!«
»Einen Ferrari?«, schlägt Amanda vor.
»Eher schon eine Lobotomie. Da, behalte sie.« Ich drücke die Blumen Nicky wieder in den Arm. »Für das Gewächshaus, das du in deinem Schlafzimmer betreibst – falls da noch Platz ist. Schließlich sind da schon so viele Blumen drin, dass Kew Gardens angefangen hat, seine Besucher hierher zu schicken. Kannst du mir einen Gefallen tun, und auch Simon behalten? Für deinen Harem. Du hast doch so viele Männer, da fällt einer mehr gar nicht auf…«
»Da hast du Recht«, sagt Nicky selbstironisch, »ich bin so eine Art Doppeldeckerbus – oben ist immer noch Platz für einen mehr!«
Die Liebe.
Verliebt zu sein, bedeutet für mich, anfällig zu sein. Anfällig dafür, sich das Herz herausreißen und auf seinen Gefühlen herumtrampeln zu lassen. Im Grunde überlässt man die Fürsorge für sein emotionales Gleichgewicht einem anderen Menschen, und seit wann ist das weise und sicher?
Und will ich denn wirklich zu jemandem gehören? Jemandem für jeden einzelnen meiner Schritte Rechenschaft ablegen müssen? Davon hatte ich genug, als ich noch zu Hause bei meiner Mutter lebte.
Manchmal spüre ich schon einen Stich der Eifersucht, wenn ich Nicky dabei zusehe, wie sie sich für einen der vielen Abende außer Haus fertig macht. Es ist sicher ganz nett, sich in Schale zu werfen und zum Essen ausführen zu lassen. Verköstigt, umworben und bezirzt zu werden.
Was aber passiert, wenn die Romanze vorbei ist und der Alltag seinen Lauf nimmt? Führen denn hochfliegende Erwartungen, Tete-a-tetes, Spaziergänge im Mondschein, Spaß und Gelächter wirklich zu lebenslangem, gemeinsamem Glück? Oder wird aus diesem deliziösen Duett doch nur eine planmäßige Plackerei?
Nein, Liebe ist Wahnsinn. Mein Leben ist so schon verrückt genug, ich brauche also keinen zusätzlichen Stress.
Und den einzigen Menschen, den ich seit einem Jahrzehnt getroffen habe, der mir auch nur ansatzweise zusagt, ist Eddie Farrar (was ich natürlich Jamie gegenüber nie zugeben würde), und mich mit ihm einzulassen, wäre todsicher verrückt.
Amanda würde mich wahrscheinlich mit einem ihrer neuen Küchenmesser filetieren.
Wenigstens würde ich dann von einer Expertin ausgenommen.
Donnerstagnacht, eine halbe Stunde vor Schließung.
Dot wird von den zwei letzten Kunden in der Bar angemacht, die darum wetteifern, wer den besten Blick auf ihren Ausschnitt erhaschen kann; Sylv ist in der Küche und bereitet sich – eher aus Langeweile als aus Hunger – ein Megasandwich, für das er alles, was er im Kühlschrank finden kann, zwischen die Hälften eines Baguettes stapelt; ich wasche gedankenverloren und zum fünften Mal denselben Aschenbecher, während ich von einem heißen Date mit meiner Bettdecke, einem Spätfilm und einem Sparmenü träume, das ich nicht mit Elvis teilen werde, ganz egal, ob er mich in seinem Sabber ertränkt oder nicht.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Ben wird jede Minute hier sein, um abzuschließen, und dann bin ich weg! Ab in die Heia.
Statt von Ben werden wir allerdings von Eddie beehrt, der höchst lässig in Levis und einem blassgrünen Ralph-LaurenPoloshirt zur Tür hereinkommt.
»Wo
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