Die Hoehle der Traenen
Arbeitet mit euren Wanderern zusammen, vielleicht überlebt ihr dann.«
»Warum sollten sie sich auf unsere Seite stellen?«, fragte er. »Wenn ich sie wäre …« Er hielt inne, nicht im Stande, die Worte zu formen.
Ash spürte plötzlich, wie das Gewicht des Beutels an seinem Gürtel schwerer wog, als wollten ihn die Steine an ihre Gegenwart erinnern. »Ich kann sie überzeugen«, sagte er. »Lasst mich mit ihnen reden.«
Das Haus des Kriegsherrn hatte schöne Steinstufen, und Ash stellte sich darauf, Beck neben sich, während die Soldaten eine kleine Gruppe Wanderer aus einem der Nebengebäude dazu drängten, sich vor ihnen aufzustellen. Dahinter versammelten sich die Bewohner der Stadt.
Acton und Baluch stellten sich hinter Ash. Bramble dagegen mischte sich unter die Menschenmenge.
Ash hatte noch nie eine Rede gehalten. Dafür war er schon oft genug aufgetreten und hatte gesehen, wie seine Eltern dabei eine Menschenmenge in ihren Bann zogen.
Er nahm den Beutel von seinem Gürtel und hielt ihn hoch. »Ich bin Steinedeuter«, sagte er und begriff, dass er diese Worte zum ersten Mal aussprach. »Und in diesem Beutel befindet sich ein neuer Stein.«
Wie ein Trommelwirbel fegte ein Schock durch die Menge. Er spürte, dass der Fluss zuhörte, und wusste, dass die Götter ihn führten.
»Verändere die Steine, und du veränderst die Welt«, sagte er, nachdem sich das Gemurmel gelegt hatte. Er hob seine Stimme an, so wie seine Mutter es beim Höhepunkt eines Liedes immer tat. »Die Steine haben gesprochen. Es ist Zeit für uns, die Welt zu verändern.«
Leof
Während der Zauberer vorrückte, hatte sich Leof im Kopf Notizen in Bezug auf die Anzahl, Gruppen und Fähigkeiten der Geisterarmee gemacht. Als Offizier war er darin ausgebildet, einen Feind auszuspähen und einzuschätzen, und er wusste, dass sie diese Informationen in Turvite würden haben wollen. Daher unterdrückte Leof sein Verlangen, einfach loszureiten, bis er die Stadt erreichte, in die Thegan seiner festen Überzeugung nach Sorn mitgenommen hatte.
Doch es handelte sich um Gesindel, nicht um eine Armee. Ihre einzige organisierte Handlung fand im Morgengrauen und in der Abenddämmerung statt, wenn sie eine Zeremonie abhielten, bei der sie um etwas anstanden. Leof kam nicht nahe genug heran, um zu sehen, um was genau es sich handelte.
Beunruhigender war die Anzahl der Wanderer, die sich ihnen bereits angeschlossen hatten. Zweihundert vielleicht, Männer, Frauen und Kinder. Leof vermutete, dass viele gar nicht kämpfen wollten, sich aber bei den Geistern sicherer fühlten als bei Actons Leuten. Und wer konnte ihnen das verübeln?
Er ritt querfeldein, um den Horden von Menschen zu entgehen, die auf den Straßen in alle Richtungen flohen, meist jedoch gen Turvite. Carlion lag zwar näher, aber offenkundig vertraute niemand darauf, dass es auch sicher war. Die
Einwohner von Turvite mussten davor gewarnt werden, dass sie bald von Flüchtlingen aus der ganzen Domäne überrannt werden würden, hungrig und wahrscheinlich ohne jedes Silber, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und für wie lange?
Querfeldein war er ohnehin schneller, denn hier in der Three Rivers Domain waren die Straßen schlecht, da der hiesige Kriegsherr anders als Thegan kaum Geld für deren Instandhaltung verwendete. In der South Domain waren die Straßen sogar noch schlechter. Ob er in der Festung von Wooding anhalten und sie über das, was ihnen bevorstand, benachrichtigen sollte?
Während er an seinem nächtlichen Lagerfeuer saß – die Geister marschierten nachts nicht, auch wenn Leof nicht begriff, warum -, dachte er über seine Lage nach. Sein kurzes Haar bedeutete, dass er nicht länger wie ein Offizier aussah. Was sein Schwert anging … Wenn ihm noch ein Funken Verstand geblieben war, musste er es wegwerfen und sich überlegen, wie er für seinen Lebensunterhalt aufkommen konnte. Wenn ein anderer als ein Mann des Kriegsherrn ein Schwert trug, bedeutete das für ihn die Steinpresse. Doch Leof brachte es nicht über das Herz, es wegzuwerfen. Er hatte mit Schwertern geübt, seit er gehen konnte, mit Spielzeugschwertern, hölzernen Übungsschwertern, stumpfen Halbschwertern und schließlich mit den echten. Er konnte es nicht einfach wegwerfen.
Außerdem würde er es vielleicht brauchen.
Der Entschluss beruhigte ihn und führte dazu, dass er sich nicht mehr wie eine Pusteblume fühlte, die auf Gedeih und Verderb dem Wind ausgeliefert war. Wenn dies alles vorbei war,
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