Die Hoehle der Traenen
Prophezeiung hören? Gut, hier ist eine.« Ihre Augen starrten ins Leere, und sie sprach, als wäre sie weit entfernt. »Die Toten werden wiedergeboren, die Verfolger und die Verfolgten werden Blut lecken, die Mörder werden auf die Ermordeten treffen. Die Stimmen der Toten werden die Welt erschüttern, und das tote Böse wird über das lebende Böse triumphieren. Wenn wir Glück haben.«
Ihr Blick richtete sich wieder auf ihn, und er war davon überzeugt, dass sie sehen konnte, wie er am ganzen Körper zitterte.
»Zufrieden?«, fragte sie.
»Lass es nicht an ihm aus, Safred«, sagte Sorn scharf.
Safred wandte sich ihr zu und betrachtete sie intensiv. »Ihr habt also Eure Stärke gefunden, nicht wahr? Lasst Euch nicht noch einmal von Thegan einschüchtern.«
»Das werde ich nicht.«
Die drei standen da, als warteten sie auf etwas.
Safred lief ein Schauer über den Rücken, und sie klammerte sich an eine Stuhllehne, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Sie haben den Bann verhängt«, sagte sie. »Die Stadt ist vor den Geistern geschützt.«
»Solange die Barrikaden halten«, sagte Leof. »Dafür zu sorgen, wird ein Kampf sein, an den man sich erinnern wird.«
Ash
»Erzähl mir alles, was du weißt«, forderte Doronit ihn auf. Das war der Teil von ihr, den er nie ganz verstanden hatte, die Händlerin der Informationen. Doch noch wichtiger als das Handeln mit Informationen war es ihr zu wissen, was vor sich ging. Einen Moment musste er an Safred denken, für die Geheimnisse wie die Luft zum Atmen waren. Doch das hier war anders, vernunftbetonter, rücksichtsloser.
»Und dann wirst du mich töten?«, fragte er.
»Das hängt davon ab, was du mir erzählst«, antwortete sie und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Sie bot ihm zwar keinen der Stühle an, die sie für Kunden bereithielt, doch er nahm sich trotzdem einen und starrte sie an, unschlüssig über seine Gefühle.
Dem Fluss war es zu verdanken, dass sein Verlangen nach Doronit weggespült worden war. Doch die anderen Gefühle, vor allem Dankbarkeit dafür, dass sie ihn angenommen hatte, als niemand sonst ihn gewollt hatte, nicht einmal seine Eltern, spürte er nach wie vor, und sie sorgten dafür, dass er verwirrt war. Ihm war klar, dass sie ihre Gründe dafür gehabt hatte, ihn anzunehmen, doch sie hatte ihm das erste Zuhause geboten, das er jemals gekannt hatte, und sie hatte ihn ehrlich geschätzt und war damit der erste Mensch gewesen, der dies tat. Die Fähigkeiten, die sie ihn gelehrt hatte, hatten ihm und Bramble das Leben gerettet.
Also sagte er ihr die Wahrheit. Die volle Wahrheit, nichts dabei auslassend, außer dem Fluss.
Am Ende sah sie ihn forschend an. »Was erzählst du mir nicht?«
»Nichts, was für dich von Bedeutung wäre«, fegte er die Frage beiseite.
Sie ließ seine Bemerkung auf sich wirken. Ihren Gesichtsausdruck vermochte er nicht zu deuten, und zum ersten Mal konnte er Atem schöpfen und sie einfach nur anschauen. Sie war bloß eine Wandrerin. Reicher und gerissener zwar als die meisten, aber bedeutend nur wegen der Geheimnisse, die sie hegte. Ihr Verlangen nach Macht würde er niemals teilen. Aber nachdem er durch die Straßen dieser Stadt gezogen war und erlebt hatte, dass die Verachtung und der Hass auf Wanderer direkt unter der Oberfläche gärten, begriff er, was sie dazu gedrängt hatte, den Geistern von Turvite ihre Geheimnisse herauszupressen. Mitleid mit ihr kam in ihm auf.
»Dieser Zauberer will die Domänen für unser Volk zurückerobern?«, fragte sie, löste nun endlich ihren Blick von ihm und verdrehte den Saum ihres Schultertuchs zwischen den Finger. Das war etwas, das er sie noch nie hatte tun sehen.
»Ja. Indem er mordet.«
Sie nickte langsam und hob den Kopf, um ihn anzuschauen. Ihre Augen glänzten. »Das müsste funktionieren«, sagte sie.
Er drückte sich aus dem Stuhl hoch, woraufhin dieser hinter ihm zu Boden stürzte. »Tausende von Menschen!«
»Ihr Volk«, stieß sie leise hervor.
Er hätte es kommen sehen müssen, er hatte gewusst, wie sehr sie Actons Leute hasste. Er musste an die Händlerin in ihr appellieren. »Es gäbe keinen Handel mehr«, sagte er.
»Das Leben würde einfach zusammenbrechen! Keine Kunden, keine Händler, keine Bauern . Binnen eines Monats würdest du verhungern.«
»Glaubst du, unsere Leute könnten es nicht lernen und Bauern werden, wenn ihnen das bestmögliche Land zur Verfügung stünde und ihnen Werkzeug, Tiere, Scheunen schlichtweg überlassen würden?
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