Die Hoehle der Traenen
die Versammlungshalle zurückkehren. Wenn sie ihren Anspruch auf die Central Domain geltend machen wollte, musste sie an jeder Besprechung teilnehmen, musste sich in die Versammlung begeben, so als wäre dies ganz natürlich. Turvite war der perfekte Ort dafür – sie hatte das gleiche Recht dort zu sein wie die Kriegsherren.
Martine hätte sich lieber ausgeruht, folgte Sorn jedoch. Dabei trieb sie die Neugier ebenso an wie die Pflicht. Und das Verlangen, Arvid zu sehen.
Als sie die Halle betraten, standen Ranny und Garham tief über einer auf einem riesigen Tisch ausgebreiteten Karte von Turvite gebeugt. Sie wiesen Gebiete zu. Jeder Kriegsherr sollte einen Stadtteil verteidigen, wobei seine Gefolgsleute Turviter anweisen und ausbilden sollten.
Martine hielt sich im Hintergrund, doch Sorn gesellte sich zu der um den Tisch versammelten Gruppe. Dabei ignorierte sie Thegans finsteren Blick und die fragenden Blicke der anderen. Ranny schaute kurz zu ihr herüber und nickte; Garham schien sie gar nicht recht zu bemerken. Arvid sah auf, erblickte Martine im hinteren Bereich der Halle und lächelte unwillkürlich, als habe sich seine Stimmung gehoben, nur weil sie dort war. Ihre Gedanken schweiften ab; zu seinem Arm, der sie während des Zauberspruchs gestützt hatte, zu seiner Liebenswürdigkeit, mit der er sie in das Red
Dawn zurückgebracht hatte, zu der Art, wie er ihr das Haar zurückgestrichen und sie nur widerstrebend in Sorns und Safreds Obhut gegeben hatte. Sie zwang sich dazu, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart zu richten, auf die Besprechung am Tisch.
Ranny hatte Coeuf den Hafen zugewiesen, vermutete Martine anhand der Tatsache, dass seine Altersschwäche dort am wenigsten Schaden anrichten und er seinem Sohn Eolbert die eigentliche Kontrolle überlassen würde. Thegan bekam den südlichen Stadtsektor zugeteilt.
»Ich sollte den Nordwesten übernehmen«, verlangte er. »Ich bin der Einzige, der Erfahrung im Kampf mit ihnen hat!«
»Viel hat es nicht genutzt«, sagte Sorn milde.
Alle Kriegsherren rissen den Kopf herum, um sie anzustarren. Thegan gelang es nicht, sein Erstaunen zu verbergen, was Martine Genugtuung verschaffte. Er hatte bis jetzt nicht einmal das Wort an sie gerichtet, doch ihre Abneigung ihm gegenüber saß bereits tief und glühend.
Merroc lächelte Sorn anerkennend an. » Ich werde den Nordwesten übernehmen«, sagte er. »Er grenzt an meine Domäne.«
Thegan starrte Merroc an und akzeptierte die Entscheidung dann mit leichtem Nicken. Jedenfalls tat er so.
Die anderen nahmen ihre Zuweisungen gnädiger auf und wurden den Turviter Stadtbediensteten zugeteilt, die ihnen zur Hand gehen würden.
Bevor Merroc ging, verbeugte er sich vor dem Rat und sagte: »Die Far South Domain steht zu Diensten von Turvite!« Es war eine Schau zugunsten der versammelten Offiziere und Stadträte.
»Die South Domain steht zu Diensten von Turvite«, ergänzte Eolbert rasch, zeitgleich mit Arvids: »Die Last Domain
steht zu Diensten von Turvite.« Die beiden Männer lächelten sich ein wenig verlegen zu. Die anderen Kriegsherren warteten ab, bis der jeweils andere gesprochen hatte.
Bevor Thegan sich melden konnte, sagte Sorn: »Die Central Domain steht zu Diensten von Turvite.«
Als die Leute registrierten, wer gesprochen hatte, entstand eine Pause. Die Stadträtinnen lächelten.
»Die Cliff Domain steht zu Diensten von Turvite«, sagte Thegan kühl, während er Sorn anlächelte, als sei diese ein auf Abwege geratenes Kind. »Und die Männer der Central und der Cliff Domain werden wie immer zusammen kämpfen.«
Er hat sich gut gefangen, dachte Martine. Doch Sorn hatte zumindest in den Köpfen der Menschen einen Samen gesät. Zum Beispiel bei Eolbert. Immerhin war er in ihrem Alter und unverheiratet, auch wenn er Gerüchten zufolge eine Geliebte hatte, die in der Festung lebte und ihm mehrere Kinder geboren hatte. Für ein formelles Bündnis zwischen Familien von Kriegsherren war das kein Hindernis. Sorn würde Eolbert ermutigen müssen, zu hoffen, dass er eine Chance hatte, sie zu heiraten, wenn sie Thegan wirklich verstieß.
Das wusste sie natürlich, und deswegen lächelte sie ihn sanft an, ging mit ihm aus der Tür und sorgte dafür, dass Thegan es hörte, als sie sagte: »Ihr habt mehrere Kinder in Wooding, nicht wahr, mein Lord?« Es war ein gefährliches Spiel, und Sorn war gewagter darin, als Martine geglaubt hätte, doch Thegans Augenmerk lag noch zu sehr auf dem Zauberer, als dass er
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