Die Hoehle der Traenen
und uns Land geben und du sie mit einem Bann belegst, sodass die Geister erneut auferstehen, falls sie ihr Wort brechen und uns etwas zu Leide tun?«
Saker wirkte unsicher. Das war ein äußerst vielschichtiger Zauber, und würde er diesen in Ruhe ausführen können? Er bezweifelte es. Er zögerte. »Nach allem, was er getan hat«, sagte er und wies dabei auf Thegan, »können wir keinem Kriegsherrn mehr trauen.«
»Aber Thegan ist gar nicht mehr der Kriegsherr der Central Domain«, sagte Sorn mit durchdringender Stimme. »Ich habe ihn verstoßen, weil er mir keine Erben geben kann.«
Thegan machte Anstalten, auf sie loszugehen, doch Acton kam ihm zuvor, und zwei andere Kriegsherren stellten sich neben sie und behielten ihn im Blick. Einer von ihnen, der jüngere, lächelte, und Saker erkannte plötzlich seine Ähnlichkeit mit Thegan. War das Gabra, sein Sohn, der für ihn die Cliff Domain verwaltete?
»Und ich habe herausgefunden«, sagte Gabra, »dass mein Vater in Wirklichkeit Masry ist, früherer Kriegsherr der Cliff Domain, und als sein einziger Sohn werde ich diese Domäne verwalten.« Er hielt inne, während Thegan ihn mit ausdruckslosem Gesicht anstarrte. »In meiner Domäne werden sich die Wanderer in Sicherheit befinden. Die Dörfer von Cliffhaven werden ihnen vollständig zurückgegeben werden, und die Gesetze werden aufgehoben.«
Saker lächelte seinen Vater an. Ihre Dörfer waren zurückgewonnen! Doch sein Vater blickte ihn nur finster an, und Saker erkannte zum ersten Mal, dass sich Alder nur mit Tod und noch mehr Tod zufriedengeben würde. Er erkannte, dass er so wütend über seinen eigenen Tod war, dass er dafür die ganze Welt umbringen würde. Vater hat gar nicht nach anderen aus Cliffhaven gesucht, dachte er. Er hat nie versucht, herauszufinden, was mit den anderen passiert ist. Er denkt nur an sich selbst.
Thegan rührte sich nicht und lächelte sowohl Sorn als auch Gabra an, als wären die beiden Kinder. Dann wandte er sich den Kriegsherren zu. »Diese Angelegenheiten«, sagte er, »sollen nicht hier und jetzt entschieden werden. Wollt ihr, dass dieser Mann euch erpresst? Euch damit droht, eine neue Armee zu erheben, wenn ihr seine Leute nicht gut genug behandelt? Wie gut ist ›gut genug‹? Wenn einer von ihnen sich den Zeh anstößt, weil eure Straßen ihnen nicht glatt genug sind, wird er euch dann dafür verantwortlich machen?«
Sie zogen die Stirn in Falten. Oh, er war ja so überzeugend. So vernünftig . Saker erkannte, dass sie auf ihn hörten, wusste aber nicht, was er sagen sollte, um sie erkennen zu lassen, dass sie auf einen Seelenfresser aus Fleisch und Blut hörten.
Da trat Ash vor. »Genau hier und genau eben haben wir gesehen, wie dieser Mann einen Unschuldigen niedergestreckt hat«, verkündete er mit lauter Stimme. »Ist das jemand, auf den man hören sollte?«
Die Geister stampften zustimmend mit den Füßen.
»Wer bist du, dass du diese Frage stellst?«, zischte Thegan.
Ash sah ihm direkt in die Augen. »Ich bin der, der Actons Geist erweckt hat. Ich bin der, der ihm erlaubt, zu sprechen.
Meint Ihr nicht, es ist an der Zeit, dass wir vom wahren Herrn des Krieges etwas hören?« Die Geister stampften abermals mit den Füßen, sodass die Erde bebte. »Sprich, Acton.«, sagte Ash. »Und denkt daran: Die Toten können nicht lügen.«
Acton drehte sich langsam um und verschaffte so jedem Geist in dem Kreis Gelegenheit, ihn anzuschauen. Der aufgehende Mond beschien ihn mit einem silbernen Licht.
»Ich bin Acton, Herr des Krieges«, verkündete er in der alten Sprache, doch mit der gleichen Stimme, in der auch Sakers Vater, Safred und Ash gesprochen hatten. Es war die Stimme der Toten. Die Stimme der Macht. Ein Raunen ging durch die Menge. »Aber ich bin kein Kriegsherr!« Dann wiederholte er das Gesagte in der geläufigen Sprache. Dieses Mal gab es laute Rufe aus den Reihen der Unterhändler.
Es folgte ein so dichtes Schweigen, dass Saker das Gefühl hatte, als lauschten selbst die Felsen.
»Ich bin gegen das System der Kriegsherren gewesen«, verkündete Acton, zunächst in der einen, danach in der anderen Sprache. »Ich wollte, dass alles von Räten geleitet wird so wie in Turvite. Und deshalb haben sie mich getötet und meine Knochen versteckt.«
Saker war völlig perplex. Das konnte nicht wahr sein. Doch Ashs Worten zufolge konnten Tote nicht lügen. Die Geister starrten ihn mit offenem Mund an, während die Kriegsherren mit bleich gewordenen Gesichtern
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