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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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wären, aber eben gewöhnlich. Osyth hob sich ab wie ein Diamant unter Glassplittern. Nachdem sie diesen Gorham heiratete – und er betete den Boden an, auf dem sie ging, das war offensichtlich -, gingen Rumer und ich allein weiter auf Wanderschaft und hatten eine gute Zeit dabei. Osyth meinte, uns werde nach einem Monat das Silber ausgehen, und fast hätte sie auch Recht behalten, denn keiner von uns beiden hatte den Dreh heraus, das Geld zusammenzuhalten. Es kommt, wie es geht, dachten wir und mussten häufiger für unsere Unterkunft bumsen, als es uns lieb war. Nun, alles hat eben seinen Preis. Es war ein schlechter Sommer in jenem Jahr, der schlechteste, an den ich mich erinnern kann.

    Also beschlossen wir, Richtung Norden zu ziehen, wo das Wetter anders ist und die Einkünfte vielleicht nicht so schlecht sein würden. Und da wir nun schon einmal nach Norden unterwegs waren, kamen wir überein, unsere Mama in Foreverfroze zu besuchen. Sie war Fischerin, unsere Mama, wie eine vom Volk der Seehundmutter, und sie liebte die sauberen Farben des Eises und des Himmels, weiß und blau und grün und grau. Fischen war ihre Leidenschaft, schätze ich, und Papa stand ihr dabei nur um wenig nach.
    Sie war lustig, unsere Mama. Ich meine, man braucht sich ja nur die Namen vor Augen zu führen, die sie uns gegeben hat: Osyth und Rumer und Rawnie. Wer hat denn schon mal von Wanderermädchen mit solchen Namen gehört? Aber Mama hat sich noch nie viel aus Traditionen gemacht, und Papa fand immer alles in Ordnung, was Mama getan hat. An den Abenden nach unseren akrobatischen Vorführungen unterhielten wir uns über sie und ihn, aber wir konnten sie nie so recht begreifen. Das werden wir wohl auch nie.
    Ich glaube, ohne Osyth sehnten wir uns ein wenig nach Familienzusammenhalt und vielleicht auch ein bisschen nach einer Mutter, weil Osyth uns immer genau wie Mama herumkommandiert hatte. Jetzt niemanden mehr zu haben, der uns sagte, was wir zu tun hatten, fühlte sich ein bisschen entwurzelt an.
    Es war am Ende des Sommers, als wir nach Foreverfroze gelangten, und das war wohl nicht so klug, aber es führte dazu, dass wir den Winter bei Mama und Papa verbrachten und ihnen halfen, den Fisch einzupökeln, die Süßgraskörbe zu flechten, welche die Männer unten im Süden verkauften. Mama füllte die langen Nächte mit Geschichten über die Fischerinnen, ihre Freiheit und ihren Wohlstand. Das hörte sich wirklich gut an.
    Im folgenden Frühjahr sagte Mama: »Fahrt doch mit raus
und versucht es selbst einmal«, und sie besorgte uns als Angler und Ausnehmer Kojen auf ihrem Schiff, der Flying Spray. Auf diesen Schiffen sind alle Fischer Frauen, und sie arbeiten gemeinschaftlich, wobei eine Frau den Fisch an den Haken nimmt und auf Deck wirft, während die andere ihn ausnimmt und den Haken wieder mit einem Köder versieht.
    Tja, wir versuchten es, und es gefiel uns nicht, obwohl Rumer und ich wie aus einem Guss arbeiten konnten, wenn wir wollten, und es fiel uns leicht, den Rhythmus des Angelns und Ausnehmens zu erlernen. Aber es war langweilig, so langweilig, wie eine lange Straße zwischen hohen Mauern entlangzugehen, und es waren noch keine drei Tage vergangen, als wir oben auf der Takelage mit den Seeleuten hockten und lachend um die Wette auf die Marssegel kletterten.
    Sie wunderten sich über uns, aber für gelernte Akrobaten war es nicht schwer, das Gleichgewicht zu halten, nicht einmal auf einem schwankenden Tau hoch über dem Deck und der eisigen See.
    Und so entdeckten wir unsere Leidenschaft, Rumer und ich, die Vorliebe für hohe Orte und weite Horizonte, Dünung, Gischt, Meer und Segel. Dafür, immer in Bewegung zu sein, sogar in Häfen. Dafür, immer etwas Neues zu sehen, Gutes wie Schlechtes. Dafür, sein Zuhause immer mitzunehmen, ganz gleich wohin man unterwegs ist, sodass man immer dort ist, wohin man gehört.
    Es gibt eine Menge Geschichten über die Fischerinnen und darüber, was sie auf diesen Schiffen anstellen, monatelang allein ohne Männer außer den wenigen Seeleuten. Mir fällt auf, dass diese Geschichten immer von Männern erzählt werden.
    Oh, es gab schon eine Reihe derer, die mehr als nur den Schlafraum miteinander teilten. Aber Fischer sind meist zu
müde, um auch nur ans Bumsen zu denken – der Schlaf ist kostbar und mühsam verdient, wenn der Fisch anbeißt, und wenn er es nicht tut, dann gehen Fischer und Seeleute eher aufeinander los, als sich Küsse zuzuwerfen. Wenn man viele Frauen an einem Ort

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