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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Miene verzog sich zu einer bitteren Grimasse. »Gut«, sagte er. »Ich hätte zwar nichts dagegen, dich erröten zu lassen, aber nicht aus diesem Grund.«
    Dies sagte er so leichthin, dass sie davon überzeugt war, es müsse sich um eine Gewohnheit handeln, die von der Zeit vor dem Grab übrig geblieben war, so wie die Gewohnheit, Befehle zu erteilen. Nicht sie persönlich war gemeint, es war nichts, was ihr Herz hätte hüpfen lassen. Dennoch schlug es schneller. Es erfüllte sie mit Genugtuung, zu wissen, dass er sie begehrt hätte, wären sie sich für länger als nur einen kurzen Augenblick begegnet. Und dass sein Begehren ihn hätte handeln lassen.
    Sie lenkte ihre Gedanken in eine andere Richtung, als er herausfordernd die Braue wölbte und sie entspannt anlachte, sie dazu einladend, seine Belustigung zu teilen. Er streckte die Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, doch sie zuckte zurück. Nie wieder wollte sie diese bis ins Mark gehende Kälte verspüren.
    Er erstarrte. Der Kummer stand ihm ins Gesicht geschrieben, und er ließ die Hand wieder sinken. »Ich vergaß«, sagte er. Er schien eine Weile zu grübeln, bevor er sie wieder ansah. »Aber auf dem Berghang? Du warst wirklich dort, nicht wahr? Es war keine Vision?«
    Sie erzählte ihm von dem Jäger und der Reise zu dem Ort, wo sie seine Knochen gefunden hatte.
    »Du wirktest so … ungezähmt, wie ein Geist aus dem
Wald«, sagte er. Sie war sich nicht sicher, ob es eine Erinnerung oder Misstrauen war.
    »Ich hatte seit Monaten wie einer gelebt«, erwiderte sie.
    Er grinste. »Du hast erst gelächelt und dann ein finsteres Gesicht gemacht, und ich dachte: Oh, die wird sich niemals zähmen lassen!«
    Es war ein Kompliment. Und doch schien es ihr außergewöhnlich seltsam, diese Worte zu hören, die sie seit so langer Zeit schon verfolgten und die sich jetzt, da sie ihm über die Lippen kamen, in etwas Gutes verwandelten. »Das hat mir einmal ein Dämon prophezeit«, sagte sie leichthin, ohne weiter darauf einzugehen.
    »Das ist ja mal eine Geschichte. Ich würde sie gerne von dir erzählt bekommen!«
    Sie schüttelte den Kopf, da sie sich an den Rest der Prophezeiung des Dämons erinnerte, die sich auf eine solch verdrehte Weise bestätigt hatte: Ungezügelt geboren und ungezügelt gestorben. Niemand wird dich je zähmen, Frau, und nie wirst du einen Mann lieben. Und das würde sie tatsächlich nie, denn der Einzige, den sie liebte, war ein Geist, kein Mann.
    »Ich muss schlafen«, sagte sie schroff. »Auch wenn du es nicht musst.«
    Erneut verzog er seinen Mund, dieses Mal jedoch nicht belustigt. »Ja«, antwortete er. »Schlaf. Ich werde dich beschützen.«
    Aufgrund der krächzenden Stimme der Toten vermochte sie nicht zu sagen, ob seine Stimme beschützend oder gekränkt klang. Sie hatte geglaubt, sein bleicher Schatten neben ihr werde sie wach halten, doch sie fiel in den Schlaf wie ein Stein in einen Brunnen und träumte nicht.

Flax
    »In Baluchston werden wir in Sicherheit sein«, sagte Rowan.
    Flax schnitt eine Grimasse und starrte nach vorn auf den überwucherten Pfad, der sich nach Norden und schlussendlich nach Westen wand.
    »Bist du sicher? Es sind Actons Leute, auch wenn sie mit dem See leben.«
    Rowan lächelte. »Der See ist mehr als Wasser, Bursche, erinnerst du dich nicht mehr? Sie wird für unsere Sicherheit sorgen. Sie hat ihre Leute immer beschützt.«
    »Ich dachte, das gilt nur für das Seevolk selbst, diejenigen, die dort sesshaft geworden sind.«
    »Altes Blut wird erkannt«, sang Rowan in einem klaren Tenor.
    Aufgeregt trat Flax näher an ihn heran. »Dieses Lied kenne ich nicht«, sagte er. Daran hatte er gar nicht gedacht, dass es auch möglich sein würde, noch neue Lieder zu lernen. Mit Glück ganze Serien von Liedern. Sein Herz machte einen Satz, und er lächelte. »Bring es mir bei«, forderte er Rowan auf.
    Über Rowans Gesicht legte sich ein Schatten, so als würden diese Worte eine schlechte Erinnerung hervorrufen. Doch er angelte eine kleine Flöte hervor – die Art, die sich Schäfer schnitzten, während sie ihre Herden im Auge behielten
– und begann, eine einfache Melodie darauf zu spielen. Die Melodie klang alt. Flax summte mit, während Rowan den Refrain wiederholte.
    »Es ist eines der ältesten Lieder, die überliefert wurden«, klärte ihn Rowan auf. »Es stammt noch aus der Zeit vor der Landnahme. Ich werde dir erst die neuen Worte beibringen, die Übersetzung, und danach die alten Worte, damit du auch

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