Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
Vom Netzwerk:
übernachteten sie auf dem Weg in Gasthöfen. Er hatte keine anderen Anweisungen als die, den Rat mit Respekt zu behandeln, und schon bald würden Gerüchte die anderen freien Städte erreichen. Er hatte nicht die Absicht, Öl in ein bereits gefährlich brennendes Feuer zu gießen. Wenn Thegan sowohl Baluchston als auch Carlion halten wollte, musste es so aussehen, als hätte er keine Wahl. Und selbst er konnte die Ratsmitglieder einer freien Stadt nicht wie Gefangene behandeln.
    Daher requirierte Leof die Zimmer nicht, sondern bezahlte sie, wie Thegan es für gewöhnlich tat, mit einem Steuerbeleg, und er gestattete es den Ratsmitgliedern, ohne Wachen
zu schlafen. Allerdings postierte er einige vor den Au-ßentüren, obwohl er nicht glaubte, dass sie einen Fluchtversuch unternehmen würden.
    Während des Abendessens hatte er Vi gefragt: »Hat Euch der See keine Anweisungen erteilt?« Es hatte ihn wirklich interessiert, und er hatte sich daher bemüht, nicht provozierend zu klingen.
    Vielleicht spürte sie dies, denn sie starrte ihn einen Augenblick lang an und sagte dann: »Doch, das hat sie. Wir schinden Zeit, Junge.«
    »Zeit wofür?«
    »Zeit dafür, dass der Zauberer besiegt wird«, antwortete Reed für sie.
    Leof beugte sich vor, so konzentriert wie während einer Schlacht. »Wie?«, fragte er.
    Vi tätschelte seine Hand, ganz so, als wäre sie seine Großmutter. »Mach dir keine Sorgen, Junge, die Götter haben es in der Hand.«
    »Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor sie es schaffen?«, fragte er, sich an die Leichen auf dem Bauernhof erinnernd, an seine Männer in Bonhill, die geschrien hatten, während die Windgeister sie zerrissen.
    Sie legte eine Pause ein, während der sich ihre Miene verdüsterte. »Nun, die Götter machen sich nicht viel aus Todesfällen«, sagte sie. »Tod und Leben, das ist für sie ein und dasselbe. Aber vom Tod zurückzukehren – das ist ein Problem, das steht fest.«
    »Es gibt Dinge, die die Welt noch nicht gesehen hat«, fiel Reed ihr mit heiserer Stimme ins Wort. »Und Dinge, die nicht gesehen werden sollten. Der See sagt, der Zauberer könne die Tür zur kalten Hölle öffnen und die Seelenfresser hereinlassen.«
    Leof spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Es
gibt sie wirklich? «, fragte er. Er hatte immer geglaubt, die Seelenfresser kämen nur in Lagerfeuergeschichten vor, mit denen man Kindern einen Schrecken einjagte, um sie zu erziehen. »Wenn du nicht tust, was man dir sagt, schnappen dich bei deinem Tod die Seelenfresser, und dann wirst du nie wiedergeboren!« Schreckliche Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf, Ghule, die jenseits des Todes warteten und die Seelen der Bösen, der Eitlen, der Feigen fraßen … Anders als bei den Windgeistern gab es keinerlei Abmachungen mit den Seelenfressern. Falls sie die Welt der Lebenden betraten, würden die Menschen nicht mehr lange am Leben bleiben.
    Vi starrte ihn an. »Ja, Junge, es gibt sie wirklich. Und sie sind sehr hungrig. Daher scheint es mir, Euer Lord sollte sich darauf konzentrieren, diesen Zauberer zu finden.«
    »Er tut, was man nur tun kann.«
    »Das tun wir alle«, erwiderte Vi.
    »Bete, dass es genügt«, sagte Reed, fing an zu zittern und sah hinauf zu den Dachsparren des Gasthofs, als erwarte er dort etwas zu sehen, einen Dämon vielleicht. Dann fing er wieder an zu essen, doch seine Miene war düster, als sei er mit etwas gänzlich anderem beschäftigt als mit dem Essen.
    Nein, Leof glaubte nicht, dass sie versuchen würden, zu fliehen. Was immer der See vorhatte, sie gewann Zeit für die Menschen in Baluchston, und die Ratsmitglieder waren der Preis dafür.

Reeds Geschichte
    Was als Nächstes geschehen wird, kann man nicht sagen. Das habe ich gelernt in jenem Sommer, jenem Winter, als ich sah, wie sie sich veränderte. Als ich sie verlor. Zuerst sagten sie, es sei Wahnsinn oder Wirrheit, aber ich wusste es besser.
    Die Götter sprechen zu uns, aber wir sehen sie nicht. Was, wenn wir es könnten? Was, wenn sie es könnte, meine Eaba? Beim ersten Mal schaute sie vom Tisch auf, wo sie gerade Bohnen für das Abendessen abfaserte, und ihr Gesicht erhellte sich, als hätte sie eine Freundin hereinkommen sehen. Ich war gerade damit beschäftigt, ein Muster in einen Gürtel zu stanzen, und drehte mich um, aber da war niemand. Ich sah sie an und wölbte die Brauen, aber sie lächelte bloß.
    Nun, Eaba und ich haben es fertiggebracht, uns dreißig Jahre lang den gleichen Arbeitsbereich zu

Weitere Kostenlose Bücher