Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Harka und Kluge Schlange die Nacht verbracht hatte. Dort machte er seinen Schecken fest und legte sich auf die Hügelkuppe ins Gras, um die Station und die Indianer am See in Ruhe zu beobachten. Er wollte vor allem abwarten, bis die vier Dakota, mit denen Adamson verhandelt hatte, fortgeritten sein würden.
    Während er auf dem Hügel in der Sonne lag, von dem schon kräftigen Frühlingsgras gedeckt, und ringsumher spähte, arbeiteten seine Gedanken in ihm, ohne oder auch gegen seinen Willen, wie eine Grundströmung, die den vom Winde getriebenen Wellen entgegendrängt. Er wollte seine eigenen Entscheidungen nicht anzweifeln, aber die Situationen und Worte, durch die sie herbeigeführt worden waren, wurden in seinem Gedächtnis von neuem lebendig. Es war ursprünglich seine Absicht gewesen, Harka zu dem Rachezug gegen Tashunka und zu der Befreiung Uinonahs aus den Zelten am Pferdebach mitzunehmen. Es war ihm selbstverständlich erschienen, daß er mit Harka zusammen ritt, der alle Wechselfälle des bisherigen Verbanntenlebens mit ihm geteilt und tapfer überwunden hatte. Aber dann hatte sich der fragende Blick des Siksikauhäuptlings Brennendes Wasser auf Mattotaupa gerichtet, und auf einmal war der Zweifel dagewesen, ob er recht handelte, wenn er einen Knaben, nicht durch die Umstände gezwungen, sondern aus freien Stücken an einem gefährlichen Unternehmen teilhaben ließ. Harka selbst hatte mitkommen wollen, das wußte Mattotaupa. Aber Tashunka-witko hatte seine Absicht, den Knaben zu rauben und bei den Oberhäuptlingen und großen Zaubermännern der Dakota zu erziehen, sicher nicht aufgegeben, und der Aufenthalt im Dakotaland konnte dem geächteten Mattotaupa jeden Augenblick den Tod bringen. Nein, Brennendes Wasser hatte recht. Mattotaupas Vorhaben war kein Unternehmen, bei dem man sich von Kindern begleiten ließ. In den Zelten der Siksikau war Harka sicher und konnte zu einem großen Krieger und Häuptling heranwachsen, ohne seinen Vater zu verleugnen, selbst wenn sein Vater durch Feindeshand getötet wurde. Diese Gewißheit gab Mattotaupa innere Ruhe, und aus seinen Phantasiebildern verschwand der Abschied, der dem Vater wie dem Jungen schwergefallen war; Mattotaupa dachte jetzt an den kommenden Herbst und an das Wiedersehen mit Harka ­ an dem Tage, an dem Mattotaupa den Skalp Tashunka-witkos, die doppelläufige Büchse und seine Tochter Uinonah in das Zelt bringen konnte, in dem ihn sein Sohn Harka Wolfstöter mit Jubel empfangen würde.
    Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als von Osten her ein einzelner Reiter auf die Station zukam. Mattotaupa hatte ihn entdeckt, als er dem Auge noch so klein erschien wie ein Beerenkern; nun war der Herankommende schon größer und deutlicher zu sehen, und Mattotaupas Interesse wurde wach. Es war in diesen Gegenden selten, daß ein Mann allein zu reiten wagte. Der Indianer, der nichts Dringendes zu tun hatte, faßte den Reiter genauer ins Auge. Es war ein Weißer, er ritt im Sattel. Der Schlapphut verbarg sein Gesicht, nur der schwarze Bart war deutlich zu erkennen. Ein großer, kräftiger Kerl war das und ausgezeichnet bewaffnet. Mattotaupa verfolgte ihn mit den Augen, bis er die Station erreichte. Der Schwarzbärtige hielt auf seinem Schecken vor dem Tor und schaute sich um. Er schien unschlüssig, ob er gleich in die Station hineinreiten sollte.
    Die Erscheinung dieses Reiters fesselte Mattotaupa immer mehr. Er fühlte sich auf irgendeine Weise erinnert, meinte den Mann zu kennen, wußte aber wiederum nicht, wann und wo er einen Cowboy oder Jäger mit einem solchen schwarzen Bart gesehen haben könnte. Er wollte die Stimme dieses Mannes hören und war überzeugt, daß er dann sofort Bescheid wissen würde. Daher machte er seinen Mustang los, schwang sich auf und ritt im Schritt ebenfalls zu dem geöffneten Tor hin.
    Der Reiter mit Schlapphut und Bart hatte sich sofort nach dem herbeireitenden Mattotaupa umgesehen, schien einen Augenblick wie starr vor Überraschung und drückte dann seinem Pferd die Sporen in die Weichen, um im gestreckten Galopp dem Indianer entgegenzubrausen. Er riß sein Tier kurz vor Mattotaupa hoch, schwenkte den Hut und rief mit einer vollen Stimme, die der Indianer sofort wiedererkannte:
    »Mein roter Bruder!«
    Mattotaupa war froh, daß der andere seinen Namen nicht laut gerufen hatte, so daß die Indianer am See nicht erfuhren, wer er war. Auch wollte er den Namen des Reiters nicht aussprechen, ehe er wußte, warum der andere auf einmal

Weitere Kostenlose Bücher