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Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)

Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)

Titel: Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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Luftströme auf andere Plättchen zu übertragen, bis sie sich wieder auflösten. Das hier war eine Maschine, die sich im ständigen Wandel befand, ja, die sich während ihrer Operationen sogar selbst modifizierte. Das Drahtgeflecht war nicht so sehr eine Maschine, sondern eher eine Seite, auf der die Maschine geschrieben wurde und auf die sich die Maschine selbst unablässig schrieb.
    Mein Bewusstsein wurde sozusagen durch die Positionierung der feinen Plättchen bestimmt, aber noch präziser wäre es zu sagen, dass mein Bewusstsein auf dem sich stetig wandelnden Muster der diese Plättchen bewegenden Luft beruhte. Während ich die oszillierenden Goldplättchen längere Zeit beobachtete, stellte ich fest, dass die Luft, anders, als vermutet wurde, nicht einfach nur der Antrieb unserer Gedanken ist. Die Luft ist vielmehr selbst das Medium unserer Gedanken. Alles, was uns ausmacht, gründet auf einem Muster aus Luftströmungen. Meine Erinnerungen wurden weder durch Riefen auf Folien, noch durch die Ausrichtung von Schaltern bestimmt, sondern durch ununterbrochene Argonströme.
    Nachdem ich die Funktionsweise des Geflechts begriffen hatte, suchte eine rasche Folge von Erkenntnissen mein Bewusstsein heim. Die erste und banalste war die Antwort auf die Frage, warum Gold, das formbarste und biegsamste Metall überhaupt, das einzige Material war, aus dem unsere Gehirne bestehen konnten. Nur die feinsten Folienplättchen konnten sich schnell genug bewegen, um einen solchen Mechanismus zu bilden, und nur die filigransten Drähte konnten als Aufhängung für sie dienen. Besser und schneller als mit jeder denkbaren Anordnung von Schaltern oder Rädchen ließen sich in diesem Medium Informationen aufzeichnen oder löschen. Verglichen mit den Goldplättchen sind die Kupferspäne, die entstehen, während ich mit meinem Stift diese Worte graviere, so grob und schwer wie Schrott.
    Als Nächstes wurde mir klar, warum jemand, der gestorben war, durch das Einsetzen neuer Lungen nicht wiederbelebt werden konnte. Die Plättchen innerhalb des Drahtgeflechts blieben im Gleichgewicht, weil zahllose Luftpolster sie dort hielten. Auf diese Weise wurden die Plättchen rasch vor und zurück bewegt, was aber auch bedeutete, dass alles gelöscht wurde, wenn der Luftstrom ausblieb. Alle Plättchen fielen dann in die gleiche Ruhestellung, und das Muster, welches das Bewusstsein hervorbrachte, war unwiederbringlich verloren. Eine Wiederherstellung des Luftstromes konnte das nicht rückgängig machen. Das war der Preis für die Schnelligkeit, mit der sie ihren Zweck erfüllten. Ein stabileres Medium für die Speicherung von Mustern hätte zur Folge, dass unser Bewusstsein weit langsamer wäre.
    Nun konnte ich mir auch erklären, woher die Unstimmigkeiten mit den Turmuhren rührten. Ich begriff, dass die Geschwindigkeit, mit der sich die Goldplättchen bewegten, davon abhing, dass sie von Luftströmen getragen wurden. Bei ausreichender Luftströmung konnten die Plättchen fast reibungslos ihre Position wechseln. Wenn sie sich nun langsamer bewegten, lag das daran, dass sie einer erhöhten Reibung ausgesetzt waren, und die Ursache dafür konnte nur sein, dass die Luftpolster dünner wurden und die durch das Drahtgeflecht strömende Luft sich mit geringerer Kraft bewegte.
    Nicht die Turmuhren liefen schneller. Unsere Gehirne arbeiteten langsamer. Die Turmuhren wurden durch Pendel oder das Fließen von Quecksilber angetrieben, und weder der Takt der Pendel, noch die Fließgeschwindigkeit des Quecksilbers konnte sich verändern. Unsere Gehirne allerdings hängen ganz von Luftströmungen ab, und wenn diese sich langsamer bewegen, verlangsamen sich auch unsere Gedanken, wodurch die Uhren schneller zu laufen scheinen.
    Ich hatte schon befürchtet, dass unsere Gehirne langsamer gehen könnten, und das war auch der Grund, weshalb ich meine Selbstsezierung gewagt hatte. Doch ich war davon ausgegangen, dass unsere Denkapparate zwar von Luft angetrieben würden, letztendlich aber mechanischer Art waren, und dass die Verminderung ihrer Geschwindigkeit darauf beruhte, dass sich einige Bestandteile dieses Mechanismus durch Abnutzungserscheinungen verformt hätten. Zwar wäre das furchtbar gewesen, aber zumindest hätten wir hoffen dürfen, dass es uns gelingen könnte, den Mechanismus zu reparieren und die ursprüngliche Arbeitsgeschwindigkeit unserer Gehirne wiederherzustellen.
    Beruhten unsere Gedanken allerdings lediglich auf Luftmustern, und nicht auf der

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