Die Hölle lacht
die Götter.
8
Dunkelheit.
Wie ein nächtlicher Jäger erwachte der Shemit vom Streicheln des Mondscheins und Sternenlichts und den Düften des sterbenden Tages, und streifte durch den Wald.
Aleil hatte er in der Höhle zurückgelassen. Sie hatte sich dagegen gewehrt, aber sie war über die Grenzen ihrer irdischen Kräfte erschöpft, und Athu hatte sie mit schmeichelnden Worten überzeugt, während sein ausgebildeter Geist sie allmählich in Schlaf wiegte. Danach hatte er die Höhlenöffnung mit einer unsichtbaren Barriere verschlossen.
Und nun war er im Wald. Er schwebte ein Stück über dem Boden, und sein Ziel war der Shirki und die beschädigte aquilonische Galeere.
Otos und seine Handvoll Männer befanden sich auf der Galeere. Sie hatten sich auf geradem Weg, nachdem sie Urdus’ Gruppe verlassen hatten, zum Fluss gestohlen und benutzten den restlichen Nachmittag, das beschädigte Schiff zu reparieren. In seinem gegenwärtigen Zustand konnte man jedenfalls nicht damit losfahren. Masten waren zersplittert, Segel zerfetzt, Taue abgerissen, der Rumpf teilweise zerschmettert und verbogen. Unter normalen Umständen ließe sich schneller ein neues Schiff bauen, und man würde dieses zu Brennholz zerhacken. Von den Beibooten war kein einziges mehr an Bord. Trotzdem war Otos überzeugt, dass seine einzige Chance, in Sicherheit zu gelangen, dieses Schiff war. Sie mussten es „nur schnellstmöglich instand setzen und lossegeln.
Als die Sonne immer niedriger sank und das Tageslicht dämmriger wurde, beschwerte sich einer seiner Männer, dass er ohne Pause nicht mehr arbeiten konnte. Er legte sich aufs Mitteldeck und fiel sogleich in den Schlaf der Erschöpfung. Otos verfluchte ihn.
Da weigerten sich auch ein zweiter und bald darauf ein dritter weiterzuarbeiten.
»Dann ruht euch aus!« brüllte Otos sie an. »Aber wenn Urdus oder die Aquilonier uns angreifen, habt ihr es euch selbst zuzuschreiben!«
»Weder die einen noch die anderen sind in der Nähe«, entgegnete einer der Männer. »Bei Mitra, wir können weder das Schiff reparieren noch gegen die Aquilonier kämpfen, wenn wir uns nicht wenigstens ein bisschen ausruhen können. Gib uns zumindest eine Stunde.«
Alle streckten sich zum Schlafen aus, außer Otos, der sich auf dem hohen Achterdeck an das Steuerrad lehnte und auf den dunklen Shirki starrte, der träge dahinfloss.
Niemand hörte Athu, als er leise am Ufer aufsetzte. Niemand ahnte seine Anwesenheit, als er durch das schlammige Wasser watete, welches das Schiff vom Strand trennte.
Niemand rührte sich oder schlug Alarm, ja keiner hielt auch nur im, Schnarchen inne, als Athu den Schiffsrumpf erreichte und langsam die glatte, schlüpfrige Wand hochkletterte – als wären Fingerspitzen und Füße imstande, ihren eigenen Halt zu schaffen.
Keiner der erschöpften Banditen erwachte, als der Zauberer, einem Käfer gleich, über die Reling kroch, auf das Vorderdeck stieg und sich auf den grauen, mondhellen Decks der Galeere umschaute.
Ein leiser Wind säuselte, sanft schlugen die Wellen gegen den Schiffsrumpf, Takelwerk knarrte, Taue ächzten und Holz stöhnte, wenn der Wind über die Galeere strich oder hin und wieder stärkere Wellen sie schaukelten.
Der Mondschein schwand, als sich dicke Wolken vor seine silberne Scheibe drängten. Dunkelheit hüllte den Fluss, die Galeere und den Wald ein.
Lautlos wie der Hauch eines Geistes schlich Athu vom Vorderdeck hinunter – kaum dass seine Füße die hölzernen Stufen des Niedergangs berührten.
Am Fuß der Treppe lag ein Mann, gegen das Schott des Vorderdecks gelehnt. In seiner Erschöpfung ruhte er so schon seit Stunden und er träumte nicht einmal von den vergangenen Kämpfen oder von Fluchtplänen. Athus Schatten huschte über ihn und hielt an. Der Mann rührte sich nicht. Fünkchen sprühten vor seinem inneren Auge und verträumte, sternengleiche Gesichter schoben sich davor und vermischten sich mit der Finsternis: Athus Wille ließ ihn noch tiefer schlafen. Des Zauberers Schatten bewegte sich. Athu bückte sich. Sein Atem war auf Haar und Bart des Schlafenden kaum zu spüren.
Die dünnen Finger schlossen sich um das Gesicht. Den Daumen in die Wange gedrückt und die Finger über Stirn, Augen und Lippen gespreizt, zog Athu.
Der Schläfer zitterte, erschauderte und stürzte in den ewigen Abgrund. Sein Körper war ohne die geringste Gegenwehr, ohne den leisesten Laut erschlafft. Athus gelbe Augen glühten stärker, als ein leises Platschen,
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