Die Hölle von Tarot
teilweise verantwortlich und können deswegen allein nicht in die Hölle verdammt werden. Die Details …“
„Ich will nicht in die Details gehen!“ rief Bruder Paul.
„Sie vergessen, wo Sie sich befinden“, erinnerte ihn der Satan. „Es ist notwendig, alles aufzulisten; wir betreiben hier keine Laienanalyse. Therion hat seit seiner Kindheit eine anale Fixierung, viel stärker als bei Ihnen – Ihre war lediglich eine Reflexion der Entwicklung eines normalen Jungen auf dem Weg zur Reife. Aber diese Lösung gehört in seine Analyse, nicht in Ihre. In diesem Fall duldete er passive Sodomie und versuchte anschließend, dem Mädchen das Ergebnis ins Gesicht zu schleudern: die symbolische Verachtung aller Frauen in genau der Art und Weise seines Namensvetters. Die letzte Anstrengung hat er bei den Sieben Kelchen für Sie unternommen. So haben Sie ihn in eine ungewöhnliche Sequenz geschickt …“
„Therion … hat das alles gemacht?“
„Er hat die Szene diktiert. Sie haben lediglich die Ihnen zugedachte Rolle gespielt – wie andere die Rollen spielten, die Sie ihnen in anderen Szenen zugedachten. Normalerweise dominiert Ihr Wille; dies war eine Ausnahme, die mit Ihrem geheimen Schuldgefühl zusammenhängt. Sie waren sich der Art der Rolle nicht recht bewußt und hätten sich geweigert, wenn Sie es gewußt hätten. Sie sind also nur der Nachlässigkeit schuldig, nicht der Vorsätzlichkeit. Wir werden tieferen Einblick nehmen müssen, um Sie beurteilen zu können.“
„Aber ich habe daran teilgenommen“, rief Bruder Paul wütend.
„Sie glauben also, daß man einer Handlung schuldig ist, selbst wenn Wissen und Absicht fehlen?“
„Ja“, antwortete Bruder Paul voller Überzeugung. „Ich hätte es vermuten oder mich dieser Drogen enthalten müssen. Ich hätte die Kontrolle beibehalten müssen, um das Geschehene zu verhindern.“
„Dann müssen Sie auch dafür geradestehen“, meinte Satan. „Sie müssen büßen, und die Strafe sieht so aus: Entwickeln Sie für Sodomie eine vernünftige Rechtfertigung für das Überleben der Gattung.“
„Sie wollen, daß ich die menschliche Homosexualität rechfertige?“ fragte Bruder Paul schockiert.
„Ich will es nicht, ich verlange es“, entgegnete Satan. „Sie scheinen verdammte Schwierigkeiten damit zu haben, sich zu erinnern, wo Sie sind, Mann. Würden Sie bitte beim Thema bleiben: Sodomie ist nicht mit Homosexualität identisch. Das erstere ist ein Akt, das letztere eine Präferenz.“
„Wo ich bin …“, wiederholte Bruder Paul. In diesem Augenblick konnte er sich nichts Höllischeres vorstellen als diese Pein.
„Keine Verzögerung“, sagte Satan. Flammen tanzten um Bruder Pauls Füße. Es wurde immer heißer. Der Schmerz war stark.
„Ich gebe die Antwort!“ schrie er, und die Flammen ließen nach. Eine Rechtfertigung? Welche Rechtfertigung konnte es dafür wohl geben? Sodomie war verabscheuenswürdig!
Wieder begannen die Flammen zu züngeln. Und unter diesem wilden Flackern stieß Bruder Paul seine Antwort heraus, wobei die Verbindung zwischen seinen Füßen und dem Mund das Gehirn kurzschaltete. „Für die Gattung ist die Reproduktion wichtig. Daher ist es eher zwanghaftes Verhalten als freiwillig. Tiere haben Perioden der Fruchtbarkeit, wobei der Geruch der Weibchen die Männchen zur Kopulation verlockt. Doch die Menschen sind intelligenter; bei ihnen dauert die Reifezeit länger, und sie müssen weitaus mehr lernen. Daher brauchen sie eine Familiensituation, wo der Mann in der Nähe bleibt, um zu schützen und zu helfen und den Nachwuchs zu nähren und zu erziehen …“
„Ich möchte die Relevanz dieser Erklärung in Frage stellen“, sagte Satan. „Hört sich wie ein Argument für die Heterosexualität an.“ Wieder erschienen die Flammen und umspielten Bruder Pauls Beine. Seine Füße schienen nun nackt zu sein.
„Es ist aber wichtig!“ schrie Bruder Paul. „Ich rede nicht über Homosexualität, wie Sie ja schon bemerkt haben. Ich rede über eine Rechtfertigung für einen Akt, der in einer normalen heterosexuellen Beziehung auftreten kann.“
„Nun, dieses Mal lasse ich es durchgehen“, erwiderte Satan. Wieder verschwanden die Flammen.
„Bei den Primaten gibt es also keine Hitzezyklen mehr“, fuhr Bruder Paul rasch fort. „Die Sexualität ist ein dauerhafter Faktor und nicht auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt. Jeden Tag kann die Frau empfangen, und auf diese Weise hält sie den Mann bei sich. Doch manchmal werden die
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