Die Hölle von Tarot
mit der vorbeugenden Warnung, den Mund zu halten, wenn sie sie nicht wiedersehen wollte. Andernfalls würden sie ihr den Kakao aus den Titten pressen. Sie schienen befriedigt, denn sie hatten zwei Dollar gespart, die sie andernfalls in einem schmutzigen Bordell ausgegeben hätten.
Sie hielt den Mund. Tun konnte sie nichts, denn sie kannte die beiden Männer nicht. Und selbst wenn sie sie gekannt hätte – es hätte die Aussage eines Niggermädchens gegen die von zwei Weißen gestanden. Das konnte man gleich vergessen. Sie war realistisch. Sie kaufte sich als Sicherheit gegen eventuelle weitere Fälle dieser Art ein gutes Messer, suchte weiter und bekam schließlich einen Job. Es war eine gute Stelle, als Hausmädchen bei einer reichen weißen Familie. Die behandelte sie gut.
Dann merkte sie, daß sie schwanger geworden war.
Nun war ihre Situation vertan, wenn auch nicht ihr Leben zerstört. Sie ging heim zu ihrer Familie und gebar ihren Bastardsohn, und seine Haut war viel heller als ihre. Sie zog ihn mit Stolz heran, denn diese helle Farbe galt als etwas Besonderes. Er sah gut aus und war klug, und er heiratete ein aufgeklärtes weißes Mädchen. Ihre Tochter war von noch hellerer Hautfarbe, und zu jener Zeit stellte die Verschiedenheit der Rassen nicht mehr eine so große Barriere dar. Sie heiratete einen Weißen, der von sich behauptete, einer seiner Ahnen habe Indianerblut; er war ein erfolgreicher Diplomat. Paul war ihr Sohn. Er war nicht dunkelhäutiger als ein Weißer mit sonnengebräunter Haut – aber ein Achtel seines Blutes war schwarz. Sie gingen nach Afrika, hauptsächlich wegen einer guten, wohldotierten Stelle.
Es gab dort einen politischen Aufstand, der in der Welt wenig beachtet wurde, aber für die Amerikaner in jener Region von großer Bedeutung war. Rasch schickte man Paul im Alter von vier Jahren fort; seine Eltern wollten ihn in Sicherheit wissen, wenn sie sich um ihre eigene auch wenig kümmerten.
Der Bruder von Pauls Vater nahm ihn auf. Die beiden Ehegatten waren konservativ; das wenige Indianerblut galt auf ihrer Ahnentafel als heimlicher Makel. Sie erzählten Paul niemals, daß er schwarz sei, auch wenn dies zu einer Zeit war, in der Schwarz als schön galt. Paul ging auf eine weiße Privatschule und verkehrte nur mit Weißen. Die Schule war natürlich eine integrierte, aber Paul waren die vereinzelten Schwarzen gleichgültig. Zu denen gehörte er nicht. Er stand ‚über ihnen’.
Er begann mit der Schule – mit den kichernden Mädchen –, aber noch ehe das Jahr vorbei war, zogen seine Pflegeeltern mit ihm nach Norden aufs Land. Paul bekam Probleme in der Schule, nicht so sehr mit den Lehrern als mit anderen Kindern, die ihn mit der besonderen Grausamkeit von Kindern neckten, die nur Kindern begreiflich ist. Als er einmal mit einem blauen Auge nach Hause kam, ergriff sein Pflegevater die Initiative. „Dieser Junge muß die Selbstverteidigung lernen. Wir stecken ihn in einen Karatekursus.“
Einen solchen Kursus gab es im Gemeindezentrum des Nachbardorfes. Paul ging zusammen mit seinem Pflegevater dorthin und sah zu, wie die Männer dort in den schlafanzugähnlichen Gewändern übten und auf Matratzen fielen. „Wieviel kostet es?“ fragte sein Vater den Lehrer, einen jungen Mann von Mitte Zwanzig, der sanfte Gesichtszüge hatte und nicht groß war – nicht jemand, vor dem man auf der Straße Angst hätte. Es war billig. Der Mann bezahlte die entsprechende Summe, füllte ein Formular aus, kaufte für Paul eine dieser Pyjamauniformen, die man gi nannte, und ließ ihn dort zurück. Paul sollte Selbstverteidigung lernen.
Paul war zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt und für sein Alter klein. Der gi schlotterte um seine Figur. Aber es gab dort andere Kinder von seiner Größe, und der Lehrer schenkte ihm während der ersten Lektionen besondere Aufmerksamkeit. Der Lehrer hieß Steve – anders ließ er sich nicht anreden –, und nachdem Paul gesehen hatte, was er alles konnte, begriff er, daß darin keine Respektlosigkeit lag.
Es war ein Judokurs, nicht Karate; sie waren in der falschen Abteilung gelandet. Doch wie sich herausstellte, war Judo für Paul viel besser geeignet als Karate, denn es befähigte eine Person, sich zu verteidigen, ohne den Gegner zu verletzen, und Paul tat nicht gern jemandem weh. Judo war die Wissenschaft der „sanften Kunst“ der Würfe und Griffe. Mit Hilfe dieser Wissenschaft konnte man einen angreifenden Riesen auf den Boden werfen und dort halten,
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