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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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herrschte Frühling. Wenn der Morgen auch frisch war, so war es doch nicht unangenehm, und alles roch wunderbar. Die Blüten öffneten sich, und sie schienen ihm vertraut zu sein, wenn er sie auch nicht exakt benennen konnte. Wenn er sein Leben noch einmal leben könnte, würde er sich mehr um die Botanik kümmern. Carolyn hätte viel Spaß an diesem Idyll gefunden.
    Carolyn – wo war sie nun? Erst bei der letzten Reise in seine Vergangenheit war er sich der wahren Begründung für ihren Namen bewußt geworden. Carolyn, zu einem Sechzehntel schwarz, zu Ehren der pechschwarzen Karolyn, die ihm gezeigt hatte, was Judo bedeutete, und die nie kicherte. Satan hatte gesagt, Carolyn existiere noch nicht – doch sie existierte, denn er kannte sie und liebte sie, und sie war seine Tochter. Das Kind der Kolonisten war lediglich eine Darstellerin anstelle der wirklichen Carolyn. Doch wo war sie nur? Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie einzig und allein seiner Vorstellungskraft entsprungen war; gefühlsmäßig konnte er das absolut nicht akzeptieren. Nun, immerhin war sie der Hölle entgangen; Lee hatte sie aus der Vision herausgebracht. Gott sei Dank!
    Oder verdiente eher Satan den Dank?
    Musik unterbrach seine Gedanken. Wunderschön, wie von einer Flöte gespielt. War es das Morgenlied? Edvard Grieg, der es als Teil der berühmten Peer-Gynt-Suite komponierte, hatte Ende des 19. Jahrhunderts gelebt und war Schwede – nein, Norweger. War er vielleicht dort – im historischen Europa? Wenn man die Möglichkeiten einer Animation in Erwägung zog, konnte das sehr wohl der Fall sein. Wie gern würde er diesen wunderbaren Musiker, einen seiner Lieblingskomponisten, kennenlernen! Aber nein, es war nicht diese Melodie, nur ein Teil davon war ähnlich gewesen. Vergiß also Grieg. Satan hätte ihm wohl kaum dieses zufällige Vergnügen gegönnt.
    Aber warum wollte er es überhaupt wissen? Die Musik schien aus dem Tal im Westen zu kommen. Bruder Paul ging darauf zu. Er merkte, daß er eine gegürtete Tunika und grobe Lederschuhe trug, die durch die Benutzung erst bequem wurden. Aber irgend etwas zwickte ihn – autsch! Er vermutete, es war eine Laus. Das versetzte ihn irgendwohin ins Mittelalter, wahrscheinlich nach Europa. Von Hygiene hielt man damals nicht viel, jedenfalls nicht bei den Christen. Es hatte sogar einst geheißen, daß die christliche Religion die einzige der großen Religionen sei, die Schmutzigkeit gleich neben die Göttlichkeit stellte. Besonders die Moslems hatten sich über diese Haltung lustig gemacht, wahrscheinlich wütend über die Unverschämtheit der Kreuzzüge. Erst in relativ jüngster Zeit hatte sich diese Haltung geändert.
    Bald war der Musiker zu sehen. Es war ein junger Mann, hochgewachsen, schlank und kräftig. Er trug bunte Hosen, ein buntes Wams und einen Hut. Ein Schuh war blau, der andere rot. Die Strümpfe waren entsprechend von der jeweils anderen Farbe. An seinen Knien hingen kleine Glöckchen, und er trug ein leuchtend blaues Cape. Der Hutrand war so breit, daß er über die Augen herabfiel. Doch diese komische Erscheinung schien in keiner Weise verlegen zu sein. Er lag auf dem Boden unter einem dichtbelaubten Baum und spielte auf einer fremdartigen Doppelflöte, wobei die rechte Hand die Löcher auf der einen Seite, die linke die auf der anderen Seite bespielte.
    „Eine Panflöte!“ entfuhr es Bruder Paul.
    Der Mann hielt inne. Fragend blickte er hoch. „Ja?“
    Schnell verbesserte sich Bruder Paul innerlich. Das hörte sich deutsch an! Er kannte sich in dieser Sprache nicht gut aus, aber er würde schon zurechtkommen. „Ich … bewunderte gerade Eure Musik“, sagte er langsam in Deutsch.
    „Die Schäferflöte“, stimmte der Mann in der gleichen Sprache zu. Sein Akzent klang sonderbar, war aber nicht unverständlich. „Entspricht der Stimmung des Tages. Wollt Ihr Euch setzen?“
    „Gern“, entgegnete Bruder Paul.
    „Nehmt ein Stück Brot“, sagte der Mann, brach das Ende eines langen Laibes ab und bot es ihm an. Es war hartes, dunkles Brot, aber es roch gut.
    „Danke“, sagte Bruder Paul. „Ich fürchte, ich kann Euch nichts anbieten. Ich bin ein Fremder und habe nichts bei mir.“
    Der Mann lächelte. „Unter den Augen Gottes gibt es keine Fremden.“
    „Stimmt“, meinte Bruder Paul ermutigt. „Ich bin Bruder Paul vom Heiligen Orden der Vision.“ Unsicher brach er ab, weil er nicht wußte, ob diese Information in diesem Kontext einen Sinn ergab.
    „Hat das irgend

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