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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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etwas zu tun mit der Vision des Apostels Paulus auf der Straße nach Damaskus?“
    „Ja“, bestätigte ihm Bruder Paul dankbar. Hier hatte er eine verwandte Seele gefunden. Der Darsteller war offensichtlich Lee, aber nun stimmte die Rolle. „Das stimmt für mich und auch für meinen Orden. Wir glauben, daß die heutige christliche Kirche gegründet wurde, als der Jude Saulus aus Tarsus zum Christen bekehrt wurde. Er hat in beträchtlichem Ausmaß die Kirche zu dem gemacht, was sie heute ist. Korrekter gesagt, er hat die Prinzipien der Religion festgelegt, wenn auch viele, die sich Christen nennen, von diesen Prinzipien abgewichen sind. Wir vom Orden versuchen, das Christentum entsprechend Pauls Vision wiederherzustellen, wo wir nur können. Ein Glaube, der für alle Menschen da ist, ungeachtet des Namens, den sie ihrem Glauben geben.“ Er wußte, daß er nicht mit der üblichen Beredsamkeit sprach, weil er durch die fremde Sprache gehandikapt war, aber es wurde leichter beim Reden. Lee wußte das natürlich alles – aber er mußte es in dieser Animation noch einmal vorbringen, da es um die philosophische Basis ging.
    „Gut gesprochen, Bruder. Ihr seid also ein reisender Mönch?“
    „Nein … ganz und gar nicht. Ich bin nur … rein zufällig hier. Ich weiß nicht einmal, wo ich mich befinde. Oder in welcher Zeit wir leben. Ich stamme aus dem Amerika des Jahres 2000.“ Wie würde das ankommen?
    Wieder lächelte der Mann und schüttelte den Kopf. „Ich bedaure, aber ich kenne weder Euren Orden noch das Land, und die Zeitangabe habe ich sicher mißverstanden. Aber ich kenne mich in den Feinheiten der Religion nicht aus; meine Leute haben immer Religion mit Angst verbunden. Ich habe keine Ahnung, ob das richtig ist. Aber in der Geographie kenne ich mich besser aus. Dieses Land liegt westlich des Rheins und nördlich der Alpen, und wir schreiben das Jahr des Herrn 1392. Ich bin ein einfacher fahrender Sänger, Possenreißer und Zauberer. Ich habe viele Namen, und keiner von ihnen hat große Bedeutung; nennt mich einfach Le Bateleru oder den Gaukler.“
    „Der Gaukler“, wiederholte Bruder Paul erstaunt. „Dreizehn-hundertzweiundneunzig!“
    „Ihr scheint überrascht, Freund. Habe ich Euch beleidigt?“
    „Nein, nein. Es ist nur … in meinem Kontext, der sechshundert Jahre nach dem Euren zu sein scheint, ist Euer Name der einer, wie würdet Ihr sagen … einer Wahrsagekarte.“
    Der Mann fuhr mit wegwerfender Geste über die Flöte. „Auch damit gebe ich mich ab, wenn etwas dabei herausspringt.“ Er warf die Flöte in die Luft und fing sie geschickt wieder auf. „Wollt Ihr für einen Obolus die Zukunft wissen?“
    „Ich … äh … nein, danke. Wenn ein Obolus eine Geldmünze ist, so habe ich keine.“ Bruder Paul erinnerte sich an eine mittelalterliche Münze, die etwa einem Cent entsprach. Das mochte der Mann meinen. „Ich bin ohne einen Pfennig und kann nicht einmal für das Brot bezahlen, es sei denn, ich könnte Euch einen Dienst erweisen.“
    Der Gaukler sah ihn verwundert an. „Ich werde als Bezahlung ein Lied nehmen.“
    „Ein Lied?“ Bruder Paul merkte, daß er diesen bescheidenen, aber begabten Charakter zu mögen begann, aber es war schon verwirrend. „Ich kann nicht für mich in Anspruch nehmen, ein guter Sänger zu sein, aber ich singe gern.“
    „Ich spiele die Melodie vor, die könnt Ihr ja dann mitsummen.“ Und der Gaukler hob die Panflöte an die Lippen und spielte eine sonderbar traurige Melodie.
    „Das ist schön“, sagte Bruder Paul. Er begann mitzusummen, als er die Melodie gelernt hatte. Dann dachte er daran, wie man ihn als Kind, wenn er summte, zurechtgewiesen hatte. Doch nun war er von solchen Einengungen befreit und konnte sich daran erfreuen.
    Als er das Lied nun kannte und kräftiger mitsummen konnte, änderte der Gaukler seine Melodie. Nun verlief sie entgegengesetzt und vervollständigte als Konterpunkt Bruder Pauls Stimme. Die Flöte mit den verschiedenen, miteinander verbundenen Melodien hörte sich allein schon gut an, aber nun, als Gegenpunkt zu Bruder Pauls Stimme, erhöhte sie das Lied zu einer Schönheit von solch trauriger Schlichtheit, daß es Bruder Paul ganz verzückt stimmte. Musik besänftigte in der Tat wilde Gedanken.
    Als sie geendet hatten, lächelte der Gaukler. „Bruder Paul, Mann der Vision, Ihr wart zu bescheiden. Ihr habt eine Stimme fast wie ein Kastrat.“
    Bruder Paul war ein wenig entsetzt, ganz im Gegensatz zu dem schmeichelnd gemeinten

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