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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Kompliment. Im Mittelalter kastrierte man Jungen mit schönen Stimmen vor der Pubertät, damit sie die hohe Stimmlage behielten und weiter im Kirchenchor singen konnten. Die Bibel verbot zwar, daß ein Mann, der ‚verletzt’ war, Zutritt zur Kirchengemeinde hatte, doch die Kirche ignorierte dies, wenn es ihr paßte. Was war mit ihm: Hatte er seine Männlichkeit wiedererlangt, oder galt Satans Beschneidung auf immer? Der Gaukler hatte rein bildlich gesprochen. Bruder Pauls Stimme war ein Tenor, denn eine Kastration nach der Pubertät hatte keine Wirkung auf die Stimmlage. Aber dennoch …
    Das konnte er schnell nachprüfen. Aber nicht jetzt in diesem Augenblick. „Ich danke Euch für das Brot – und für das Lied. Ich muß weiterziehen. Könntet Ihr mir den Weg zur nächsten Stadt oder zum nächsten Dorf weisen?“
    „Folgt einfach dem Fluß, Freund! Es gibt überall Dörfchen, und schließlich werdet Ihr auf dem Weg nach Norden in die große Stadt Worms gelangen, die erste freie Reichsstadt.“
    „Worms! Ich erinnere mich an den Reichstag zu Worms, wo Martin Luther …“ Er brach ab. Der Reichstag zu Worms fand im Jahre 1521 statt – einhundertdreißig Jahre später. An dieses Datum konnte er sich deutlich erinnern, weil es unter seinen Schulkameraden einen Scherz gegeben hatte, daß man all die Würmer von Worms würde essen müssen, nämlich eintausendfünfhunderteinundzwanzig, wenn man dieses Datum vergaß.
    „Ihr habt Freunde in Worms?“
    „Äh … eigentlich nicht. Aber vielleicht finde ich dort welche“, entgegnete Bruder Paul.
    „Darf ich fragen, was Ihr sucht? Es ist nicht meine Sache, aber ich habe im Verlauf meiner Reisen Leute kennengelernt, und vielleicht kann ich Euch helfen?“
    „Ich bin auf der Suche nach einem Kartenspiel mit Namen Ta-rot.“
    Der Gaukler runzelte die Stirn. „Ta … rott? Ich glaube, von einem solchen Spiel habe ich bei reichen Leuten gehört.“
    „Es sind besondere Karten mit Bildertrümpfen und Zahlenkarten. Wir benützen sie als Hilfe bei der Meditation, aber sie haben eine lange, bunte Geschichte.“ Doch er hielt inne, als er den verdutzten Gesichtsausdruck des Gauklers bemerkte. Offensichtlich wußte er in dieser Rolle nichts Genaues über das Tarot. „Das ist das Spiel mit der einen Karte namens Gaukler oder Zauberer.“
    Der Gaukler breitete beide Hände aus. „Ich wäre geschmeichelt, aber das ist sicher nur ein Zufall. Von meiner Sorte gibt es viele, die sich von Dorf zu Dorf das Brot und die Herberge verdienen. Gibt es auch Karten für Händler, Bauern und Mönche?“
    „Keine speziellen. Die Karten bevorzugen Könige und Königinnen, Kaiser und Päpste“, entgegnete Bruder Paul mit einem Lächeln. „Wie Ihr schon angedeutet habt: das Kartenspiel der Reichen.“
    „Dann ist Worms der Ort, sie aufzusuchen“, sagte der Gaukler. „Es ist der Sitz des Erzbischofes und ein Zentrum von Intrigen im Reich. Ich wünsche Euch alles Gute.“
    „Danke“, sagte Bruder Paul, erhob sich und wandte sich nach Norden.
    „Geht nach Osten, bis Ihr den Fluß erreicht“, riet ihm der Gaukler. „An diesem Ufer sind die Straßen besser, und die Dörfler sind an Reisende gewöhnt.“
    Paul nickte dankbar und ging in Richtung Osten.
     
    Am Nachmittag wurde er hungrig, und die Füße taten ihm weh. Er hatte den Fluß und einen ordentlichen Weg nach Norden gefunden, doch die Dorfbewohner waren jemandem ohne Geld gegenüber nicht sehr gastfreundlich. Dieses idyllische historische Land hatte auch seine Nachteile. Doch er zog weiter.
    Auf dem Weg nach Süden bog ein Trupp zerzauster Soldaten um eine Ecke. Bruder Paul wußte, daß im vierzehnten Jahrhundert eine gute Rüstung und Waffen nur denen zur Verfügung standen, die es sich leisten konnten. Diese hier waren wohl eher Fußvolk. Anstelle von Kettenhemden, Stulpenhandschuhen und Schwertern trugen sie Wamse mit Leder flecken, um sich zu schützen; die Hände waren bloß und voller Schwielen, und sie trugen Messer und Lanzen aller Arten mit sich, offensichtlich Beutegut.
    Sie stießen auf Bruder Paul, noch ehe er sich bewußt wurde, um welche Sorte Soldaten es sich handelte. Da ihm heiß war und er sich schmutzig und hungrig fühlte, hatte er auf seine Umgebung kaum geachtet. „Aus dem Weg, Halunke“, sagte der Anführer und trat ihm mit seiner Lanze in den Weg.
    Automatisch reagierte Bruder Paul. Adrenalin überflutete seinen Kreislauf und verscheuchte die Müdigkeit. Er trat zur Seite und streckte die Rechte nach

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