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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Wenn eine Person dachte, sie stürbe in einer Animation, würde ihr Leben dann auch in der weltlichen Existenz ausgelöscht? Die Hexendoktoren des Voodoo hielten dies für eine plausible Möglichkeit. Wenn aber eine Person nur die Rolle eines Sterbenden spielte und dies wußte – konnte sie dann überleben?
    Wie ging es Lee, seinem guten Kameraden? Durchdrungen von der Aura Antares’ hatte er die Rolle Jesu Christi gespielt und war nicht gestorben. Aber Jesus war ja auch wiederauferstanden. Jetzt war Lee als Gaukler erneut gestorben, und das war überzeugender gewesen, da er nun nicht mehr der Sohn Gottes, sondern ein normal Sterblicher war. Eine Rolle oder die Realität?
    Wenn der Schauspieler starb, starb mit ihm seine Rolle, denn ein Toter konnte nicht wiederbelebt werden – nicht auf diese Weise. Antares stellte einen Sonderfall dar. Wenn eine Rolle starb, lebte der Darsteller entweder weiter oder starb auch, je nachdem. Wenn eine Rolle weiterlebte, mußte der Spieler weiterleben. Daher war der einzig sichere Weg, daß der Darsteller überlebte, wenn auch die Rolle weitergespielt wurde – dann würde er genau wissen, daß Carolyn weiter existieren würde. Auch wenn sie in seiner eigenen Zeit noch nicht geboren war.
    Die Logik war vielleicht anfechtbar, doch sein Gefühl nicht. Er mußte sie einfach retten. Wenn es auch Satan selber anders befohlen hatte. Zur Hölle mit Satan!
    „Ich will es versuchen“, sagte Bruder Paul und merkte, daß ihn diese Worte endgültig in die Rolle des Predigers drängten. Er stellte den Gaukler dar, die Rolle seines Freundes. Er täuschte diese guten Menschen. Wie der Mond, dachte er und wurde von schrecklicher Ironie durchdrungen. Der Planet der Täuschung. Er hatte seine Ehre für seinen wichtigsten Vorzug gehalten; nun hatte ihm Satan gezeigt, daß nicht viel damit los war. Um eines ungeborenen Kindes willen gab er seine Ehre auf, obwohl es sich ja nur um eine Rolle in einem Spiel handelte.
    Wenn ihn dieses Scheitern seines Charakters endgültig in die Hölle verdammte, dachte er wieder, so sollte es so sein. Diese Menschen waren vielleicht nur eine Illusion, und dieses Spiel war vielleicht von Satan geschrieben, doch Bruder Paul war nun einmal, was er war, ob in der Realität oder der Phantasiewelt. Er mußte versuchen, dieses Mädchen zu retten.
    Er kniete neben ihr nieder und legte die Finger der rechten Hand auf die Stirn. Wütend schwirrten die Fliegen auf. Sie fühlte sich nicht fiebrig an. War das ein gutes Zeichen? Die Linke ergriff die schmale Hand des Mädchens. Wie knochig die Finger waren!
    „Mein Liebes“, sagte er.
    Keine wahrnehmbare Antwort. Der Atem ging schwer, aber regelmäßig. Sie schlief, aber nicht friedlich; er fürchtete, daß sie gerade einen ebenso schrecklichen Alptraum wie er selbst durchlitt.
    Er konzentrierte sich mit dem Willen, sie aufzuwecken, sie zu heilen. Antares hatte ihm gesagt, er habe eine Aura, und diese konnte er vielleicht bei der Heilung einsetzen. Jesus Christus hatte das gleiche angedeutet. Wenn es stimmte, dann konnte er vielleicht diesem Kind helfen. „Wach auf, meine Kleine“, sagte er und betete, sie möge es tun.
    Aber sie tat es nicht. Sein Gebet stieß gegen eine Wand. Bruder Paul war nicht Jesus Christus; er konnte nicht durch bloße Berührung oder Willenskraft heilen. Nicht einmal, wenn es sich um seine Tochter handelte.
    Schließlich stand er geschlagen wieder auf. „Wir können den Willen Gottes nicht zwingen, es sei denn, er will es“, sagte er traurig. Was hatte er falsch gemacht? „Ich werde dieses Kind wiedersehen.“ Das würde er gewiß. Sie war das einzige, auf das er in diesem Spiel niemals verzichten würde.
    Die Alte nickte ernst. Hatte sie mehr von ihm erwartet?
    Bruder Paul kehrte in die Raummitte zurück. Alle Augen richteten sich erwartungsvoll auf ihn. Er war darauf vorbereitet, eine Zaubervorstellung zu geben, doch deswegen waren sie offensichtlich nicht hier. Sie wollten eine Botschaft von den Waldensern, eine Bestätigung ihres Glaubens.
    Er war bereits wortbrüchig geworden, als er sich mit dem Kind beschäftigte. Sollte er nun die Wahrheit zugeben? Er sah die Gesichter der Alten und Jungen, die vor Hoffnung leuchteten, und wußte, daß er seiner Verdammnis nicht mehr entgehen konnte. Er konnte ihnen den Glauben nicht zerstören, weil er wußte, daß es für sie keinen anderen Weg gab. Beide echten barbe für diese Region waren tot, und es würde vielleicht ein Jahr dauern, ehe sich ein

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