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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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neuer auf den Weg machte. Besser eine zurechtgezimmerte Botschaft als gar keine. Selbst die Schauspieler eines in der Hölle geschriebenen Stückes verdienten Rücksicht.
    Was war mit dem Gaukler? Was hätte er in einer derartigen Situation getan? Bruder Paul wußte es: Er hätte in klingenden Worten seinen eigenen Glauben geschildert. Jetzt hatte Bruder Paul die Stelle des Missionars eingenommen – gab es eine bessere Möglichkeit, die Gefallen, die ihm der Gaukler erwiesen hatte, zurückzuzahlen? Etwas Besseres, als die Botschaft zu verbreiten, die der Gaukler mit sich trug?
    „Brüder und Schwestern im Glauben“, begann Bruder Paul, und plötzlich verspürte er Lampenfieber. „Ich bin … noch ein Novize. Der alte barba, der mich lehrte, mich führte und bei dem ich in die Lehre ging – dieser gute Mann schied dahin, ehe er zu euch kommen konnte. Ich bitte euch um Geduld, denn ich habe zuvor noch niemals die Botschaft der Waldenser allein vorgetragen.“
    Niemand reagierte. Sie nahmen seine Worte als bloße Entschuldigung, als rituelle Bescheidenheit, der keine Bedeutung zukam. Er war der Onkel, der religiöse Führer; Erfahrung spielte da kaum eine Rolle. So wirkte die teilweise Beichte seines Betrugs nicht als Beichte. Satan machte einem die Sünde wirklich leicht!
    Nun, jetzt mußte er einfach weitermachen. Er würde ihnen die Botschaft der Waldenser bringen, soweit er dazu in der Lage war. Es war keine schlechte Botschaft – nein, gar nicht!
    „Die Waldenser folgen ähnlichen Prinzipien wie die Albigenser“, begann Bruder Paul. Doch er erkannte sogleich, daß dies nicht ankam. Diese Leute kannten sich weder in fremden Religionen aus noch in der Philosophie und Geschichte der häretischen Sekten – sie glaubten einfach dem Wort des barba.
    Er versuchte es neu: „Die Waldenser glauben, daß die Menschen zu den Prinzipien zurückkehren sollten, die Jesus Christus und der Apostel Paulus aufgestellt haben. Einfachheit, Demut und allgemeine Liebe zu den Menschen.“ Doch auch das klappte nicht. Es war eine Vorlesung. Der Gaukler hatte Bruder Paul gegenüber klar und vernünftig gesprochen, doch da hatte ein gebildeter Mensch mit einem anderen kommuniziert. Bauern und Leibeigene brauchten etwas Faßbareres. Der Gaukler hatte sich bei seinen Zaubereien mit der gleichen Geschicklichkeit an das ungebildetste Element der Gesellschaft gewendet wie Bruder Paul gegenüber. Er bewegte sich auf allen Ebenen gleich gut.
    Diese Leute wünschten nicht nur Aufklärung, sie wollten sie auch schmackhaft zubereitet haben. Diese Menschen waren einfach so, wie sie waren: ungebildet. Philosophisch gesehen waren sie wie Kinder: lernbereit, aber mit begrenzter intellektueller Erfahrung.
    Was sie eigentlich brauchten, waren programmierte Lektionen, wenn möglich bebildert. Bilder waren bei Ungebildeten immer beliebt.
    Bilder – programmierter Text. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich!
    Bruder Paul zog die dreißig Tarottrümpfe hervor. Er suchte den Narren heraus und zeigte ihn. „Seht euch diesen Gauner an!“ rief er. „Er läuft daher, die Augen gen Himmel gewandt, während ihm ein Hund den Hosenboden zerreißt!“
    Nun reagierten sie mit Aufmerksamkeit und Überraschung. Jetzt hatte er sie im Griff. Jetzt konnte er reden!
    „Es ist für einen Reichen schwer, Gott nahezukommen“, sagte Bruder Paul. „Auch für den mächtigen Adligen oder den stolzen Priester. Was ist für Gott schon Reichtum oder Macht? Es ist besser, dies alles hinter sich zu lassen und Gott mit einem von weltlichen Dingen freien Herzen aufzusuchen. Seid wie der Narr, der kühn seinem Ziel entgegenschreitet, die Augen auf den prächtigen Regenbogen gerichtet, und Gott mit reiner, selbstloser Liebe sucht.“
    Man vernahm ein Gemurmel der Zustimmung; die Armen hörten gern, daß sie leichter an die Erlösung kamen als die Reichen, daß der Gauner Gott näherstand als der Lehnsherr.
    „Selbst wenn es manchmal weh tut“, schloß er und rieb sich sein Gesäß, als sei es verletzt. „Denn die Hunde aus dem Herrenhaus und der Kirche haben scharfe Zähne.“
    Auf den Gesichtern der Bauern breitete sich verstehendes Lächeln aus. Die Arroganz der weltlichen und kirchlichen Ämter war ihnen eine ständige Pein, und sie hörten es gern, wenn diese mit Hunden verglichen wurden. Kein Zweifel: Bruder Paul verbreitete nach mittelalterlichen Gesichtspunkten die reinste Ketzerei, aber er hatte Spaß daran!
    „Dieses Bild stellt jedermann

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