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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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den Gaukler gearbeitet.
    Mit Nervosität, aber auch mit Selbstvertrauen stieg Bruder Paul aus dem Baum, streckte die verkrampften Glieder aus, urinierte an die Wurzeln des Baumes und legte sich das Zaubergewand an. Für sein Essen würde er auch Kunststückchen vorführen. Seine Fremdartigkeit würde die Wirkung nur verstärken.
    Zuerst probierte er die Tricks aus. Dabei kam ihm einige Erfahrung aus seiner Jugend zugute; mit den Händen war er so geschickt, wie es nur nötig war. Er haßte den Gedanken, die heiligen Karten für Spielchen zu benutzen, doch sie waren bestes Handwerkszeug – und so hatte man Tarotkarten auch schon zuvor benutzt. Er mischte die groben Karten und vergewisserte sich, daß er sie mit der notwendigen Geschicklichkeit handhaben konnte. Es waren gedruckte Karten, aber sie waren nicht einheitlich; wahrscheinlich erstellt mit einer hölzernen, handgeschnitzten Blocktype, denn erst in mehr als einem halben Jahrhundert würde man die Druckerpresse erfinden.
    Dann legte er die Karten beiseite, drehte ein paar Steine um und hatte das Glück, eine kleine, harmlose Schlange zu entdecken. „Komm, Kleines“, murmelte er, fing sie und band sie in ein Taschentuch. „Ich lasse dich gelegentlich wieder frei.“ Ja – er war bereit.
    Dann machte er sich wieder auf den Weg nach Norden, wobei er die Steifbeinigkeit wieder loswurde. Er fühlte sich nicht sonderlich wohl, aber immerhin halbwegs zuversichtlich. Irgendwo auf diesem Weg mußte es ein Dorf geben, und nun würde er es nicht mehr meiden.
    Es schien überraschend leicht. Sein buntes Gauklerkostüm machte ihn leicht erkennbar, und innerhalb von wenigen Minuten nach seinem Auftauchen im nächsten Dorf scharte sich eine Menschenmenge um ihn. Ohne weitere Ankündigungen stellte er einen Tisch auf, den ihm ein Dorfbewohner brachte, und begann die Vorstellung. Er ließ eine kleine Silbermünze zwischen den Fingern aufblitzen, verschwinden und hinter dem Ohr des nächststehenden Bauern wieder auftauchen. Er goß Wasser von einer Tasse in die andere und zeigte darauf die zweite Tasse als die leere herum. Er winkte mit dem Stab – und auf dem Tisch tauchte die kleine Schlange auf und glitt davon. Schließlich zeigte er Kartentricks, ließ wiederholt das Stab-As erscheinen, wie sorgfältig es auch immer in die anderen Karten hineingemischt wurde.
    Plötzlich, mitten in einem Trick, fiel ihm ein, was ihm in den letzten Tagen einfach entfallen war: Dieses Spiel kannte fünf Farben!
    Er fuhr mechanisch fort und spielte sein begrenztes Repertoire ab, während Gedanken und Augen die Farben betrachteten. Stab – Kelch – Schwert – Münze – und Lampe, wie der Gaukler gesagt hatte. In jeder Farbe As bis zehn plus Knappe, Ritter, Königin und König. Alles in allem fünfzig Zahlenkarten plus zwanzig Bildkarten plus dreißig waldensischen Trümpfe – ein Spiel von hundert Karten. In seinem Zeitalter eine magische Zahl und auch in diesem!
    Wie war den Gelehrten der späteren Jahrhunderte entgangen, daß ihre Tarotspiele unvollständig waren? Mit der Zahl hundert konnte man zaubern, denn dagegen war die 78 nichts. Sie hatten wohl auf die einzelnen Karten gesehen anstatt auf das Spiel als Ganzes. Hatten tatsächlich vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen!
    Vielleicht war dies ein weiterer Aspekt des Tarot, den er noch zu entdecken hatte? Er konnte diesen Teil der Animation nicht verlassen, bis ihm nicht der ganze Wunsch gewährt war, eingeschlossen die Verzweigungen, die er noch nicht kannte.
    Er beendete seine Vorführung und verbeugte sich. Man legte ein paar kleine Münzen auf den Tisch. Erfolg! Nun konnte er sich etwas zu essen kaufen, und niemand würde mehr nach ihm fragen. Er konnte überleben.
    Als sich die Menge verstreute, näherte sich ihm zögernd eine junge Frau. „Herr … Eure Karten … gibt es auch das Bild eines Gauklers dabei?“
    Der Gaukler. Er hatte bei seinen Tricks weder die Karte des Gauklers noch die anderen Trümpfe gezeigt, weil sie ihm zu wertvoll waren und weil er auch fürchtete, damit Verdacht zu erregen. Er hatte versprochen, sie vor dem Zugriff der Inquisition zu bewahren, und das erreichte er am besten, indem er sie niemandem zeigte. Aber wie konnte er die Karte leugnen, die Sinnbild für seinen toten Wohltäter war? Langsam nickte er.
    Sie machte eine liegende Acht mit dem Zeigefinger in die Luft. „Barba“, flüsterte sie. „Wir haben Euch erwartet. Bitte besucht heute abend unsere Hütte!“
    Bruder Paul hielt

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