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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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berühren.
    Was sollte er nun sagen? Sie hatten sich unter großen Opfern hier versammelt, riskierten das nackte Leben, um ihn zu sehen und sich von dem barba ermutigen zu lassen. Wie stark war ihr schlichter Glaube im schrecklichen Schatten der Inquisition! Wie konnte er ihnen nur beibringen, daß der echte Missionar tot war?
    Plötzlich erkannte er mit viel größerer Deutlichkeit die Lage des Universalisten John Murray, der durch eine Flaute daran gehindert war, fortzusegeln und seinen Geschäften nachzugehen, bis er sich bereit erklärte, in der Kirche am Ort zu predigen. Murray hatte sich dazu nicht fähig gefühlt, aber …
    Aber wenn er, Bruder Paul, diesen Menschen nicht die Wahrheit sagte, müßte er für sie den Onkel darstellen, der er nicht war, der Repräsentant einer Religion, der er nicht angehörte. Selbst dann konnte man es noch moralisch vertreten, aber er war nicht sicher, ob es ihm möglich war. Wie konnte er sich einer so schrecklichen Lüge hingeben?
    Die Alte wartete. Er mußte irgend etwas tun. Sollte er sie mit der Wahrheit töten oder ihr mit einer Lüge die Erlösung bringen? War dies eine Prüfung seiner selbst? Wenn er log, würde er sicher zur Hölle verdammt. Aber wie viele andere würde die Wahrheit niederschmettern?
    Bruder Paul berührte ihre Hand. „Es ist dein eigener, starker Glaube, der dich aufrecht hält, gute Frau“, sagte er leise, weil er wußte, sie würde andere Worte fehldeuten. Wenn dies der Weg zur Hölle ist, dann will ich verdammt sein! „Ich bin nur ein Mensch.“
    „Ja, ja“, keuchte sie hingerissen.
    „Niemand steht zwischen dir und Gott. Du brauchst keinen Priester oder barba, solange dein Herz gegenüber deinem Herrn geöffnet ist.“
    „Ah, du machst es so klar!“ rief sie. „Oh, Onkel, mein Glaube wird oft schwach, doch deine Worte bestärken ihn wieder. Gib mir deinen Segen!“
    „Mein Segen ist nichts weiter als der Segen irgendeines anderen“, erwiderte Bruder Paul beunruhigt. Wie immer er auch die Lüge abzuschwächen versuchte, sie wurde zusammen mit ihrem Glauben stärker. „Ich verfüge nicht über besondere Kräfte. Ich bin wie das Nichts und unwürdig. Mir steht nicht ein breiter Weg zu Gott offen, der nicht auch dir offenstünde. Ich könnte die Worte sagen, aber ich werde es nicht tun …“
    „Sage die Worte!“ rief sie entzückt.
    Es gab keinen Ausweg. „Möge der Segen unseres Gottvaters auf dir ruhen“, murmelte er.
    Es war, als habe er sie aus der Hölle errettet. Ihr runzliges Gesicht war durch das Entzücken wie verwandelt.
    Jetzt drängten sich die anderen heran und schoben die Alte beiseite, und sie ließ sich fortdrängen, so selbstvergessen war sie in ihrer Freude. „Der barba segnet uns alle durch seine Anwesenheit“, sagte ein Mann. „Komm, Onkel, erst müssen wir uns um das Kind kümmern, sonst stirbt es unrein.“ Er schob Bruder Paul in eine Ecke, wo auf einer Strohpritsche, bedeckt von Fliegen, das Kind lag.
    Bruder Paul blickte genauer hin und war nahe daran, laut gegen die Vermischung von bekannten Identitäten zu protestieren. Doch auch beim zweiten Hinsehen war es Carolyn. Dieses Mädchen war etwa zwölf Jahre alt, aber so abgemagert, daß sie hätte acht sein können. Doch das Gesicht … Es war dieselbe Darstellerin, und daher hatte er es mit demselben Kind zu tun. Sie war den Nachwehen der Hölle also nicht entkommen. Satan hatte ihn betrogen. Er hätte es sich denken können, als Lee in dieser Phase wiederauftauchte! Jetzt mußte er Carolyn erneut retten. Wenn er das nur schaffen könnte!
    Was fehlte ihr? Sollte er fragen? Nein, eine richtige Antwort würde er nicht bekommen. Wenn es etwas Normales wäre, hätte sie sich wieder erholt. Schlechte Ernährung? Warum hatte es dann nicht auch andere Familienmitglieder betroffen? Es mußte sich um einen besonderen, langsamen Verfall handeln, dem mit herkömmlichen Mitteln nicht beizukommen war. Etwas wie Krebs beispielsweise.
    Aber dann würde ihr niemand helfen können. Die Medizin, mit der man Krebs heilen konnte, wurde erst im zwanzigsten Jahrhundert entwickelt. Der barba stand vor einer unlösbaren Aufgabe. Selbst der echte waldensischen Gaukler hätte die Hoffnung dieser Menschen nicht erfüllen können.
    Aber wenn sie hier in der Animation starb, würde sie dann auch im wirklichen Leben sterben? Er war sich nicht sicher. Einige Leute sollten in einer Animation gestorben sein – und um sein eigenes Überleben stand es nicht gut. Aber einige kamen durch.

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