Die Hölle von Tarot
hat, er wisse wirklich etwas von Zauberei, ein Scharlatan. Für Euer Amt ohne Interesse.“
„Jude …“ Die Betonung dieser beiden Silben sprach Bände.
„Nun, wir werden sehen.“ Abraham öffnete die Tür.
Bruder Paul weigerte sich, beide zu täuschen, indem er zu schlafen vorgab. Er hatte von Täuschungen genug! „Seid gegrüßt“, sagte er, als beide eintraten. Er fuhr fort, sein Brot zu kauen.
Der Besucher trug ein weißes Habit mit schwarzem Umhang: die klassische Kutte eines Dominikanermönches. Sein Bart war sorgfältig gestutzt, und um ihn lag wütende Konzentration.
„Ich bin Bruder Thomas, Dominikaner“, sagte er.
Er war es! Lee in einer neuen Rolle! Er hatte den Tod in seiner letzten Rolle überlebt! „Wie froh ich bin, dich zu sehen, mein Freund!“ rief Bruder Paul aus.
Der Bruder sah ihn ernst an. „Haben wir uns schon einmal kennengelernt?“
Natürlich würde Lee seine Rolle gut spielen, unbeugsam – so war er eben. Und was für eine Rolle er nun hatte! Er war zu seinem früheren Feind geworden, der Inquisition!
Lee war im wirklichen Leben auch eine Art Rassist. Jetzt war er ein ‚Schwarzer’ Bruder. Es war nur ein Name, sicher – aber in den Animationen spielten die Namen oft eine symbolische Rolle. Lee machte wirklich die vergangenen Indiskretionen wieder wett. Natürlich, denn dies war ja ein Teil der Hölle. Satan hätte vielleicht …
„Vielleicht ist er einmal in Eurem Haus aufgetreten“, meinte Abraham. Und Therion: Er hatte die Bibel lächerlich gemacht, und nun war er ein Jude. Satan hatte auch ihm eine höllische Rolle gegeben!
„Laßt ihn selber reden.“ Der durchdringende Blick des Mönches wandte sich wieder Bruder Paul zu. „Gaukler, warum habt Ihr mich als, Freund’ angeredet?“
Bruder Paul hatte seinen wilden Gedanken erlaubt, aus der Rolle zu fallen. Jetzt mußte er weiterspielen. „Ich hatte geglaubt, Euch zu kennen, aber ich habe mich wohl geirrt.“
Bruder Thomas’ Blick war zu mißtrauisch. Dieser Mann mußte ein fürchterlicher Feind sein! „Sicherlich sind wir uns noch nie begegnet. Ich habe keinerlei Verbindungen zu Zauberkünstlern und ähnlichem Gelichter. Doch das blitzartige Wiedererkennen in Eurer Miene war ohne Zweifel echt.“
Das wurde unangenehm. Sicher erinnerte sich Lee, der Schauspieler, an Bruder Paul, den Schauspieler. Nur die Rolle des Bruder Thomas war ihm noch nie begegnet. Daher mußte der Dominikaner durch echte Mittel beweisen, was der Schauspieler Lee bereits wußte: daß Bruder Paul die Rolle eines ketzerischen Missionars spielte. Wahrscheinlich war Bruder Pauls Orden der Vision nach den engen Regeln der Dominikaner bereits ein Ketzerverein! Wieder steckte er also in Schwierigkeiten.
Lee würde die Rolle des Bruder Thomas gut und unbeugsam genau spielen – aber der Schauspieler war durch seinen eigenen Hintergrund in seiner Interpretation beschränkt. Bruder Paul war wohl nicht in der Lage, einen richtigen Dominikaner bei einer Diskussion zu schlagen; schließlich war der Heilige Thomas von Aquin, nach dem dieser Mönch und die Rolle wohl benannt waren, der gefürchtetste katholische Theologe aller Zeiten. Aber Lee war kein Dominikaner im richtigen Leben und auch kein Katholik. Er befand sich im Nachteil. Ebenso Therion, dessen Gehörnter Gott die Antithesis zum jüdischen Jehova bildete. Bruder Paul merkte, daß er die Ironie dieser Antithese geradezu genoß.
„Ihr antwortet nicht“, bemerkte der Mönch. „Das ist verdächtig!“
Und ein Verdacht führte bei der Inquisition schon fast zur Verurteilung! Er mußte etwas sagen! „Ich bin kein gemeiner Gaukler“, sagte Bruder Paul. Welchen Weg mußte er einschlagen, wissend, daß ein Teil dieses Menschen bereits die Wahrheit wußte und daher nicht getäuscht werden konnte? Wie nahe durfte er der Wahrheit kommen, ohne nach den Regeln dieses grimmigen Spiels die Waldenser zu verraten und so sein Versprechen gegenüber diesem Schauspieler in einer anderen Rolle zu brechen? Doch Bruder Pauls Moral und religiöse Skrupel ließen ihn vor einer Lüge zurückschrecken. Die barba -Rolle war ein besonderer Fall. Noch niemals hatte Bruder Paul seit seinem Eintritt in den Heiligen Orden der Vision die Wahrheit verletzt, so wie er sie begriff. Er hatte die Ängste seiner Kindheit sogar vor sich selber verborgen, und seine einstige Abhängigkeit von der Erinnerungsdroge hatte andere Geheimnisse in seinem Leben verursacht. Das war vorbei; ein solches Versteckspiel wollte er
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