Die Hölle von Tarot
Wahrheit!
Das legte auch nahe, daß ein Jude einem christlichen Ketzer helfen konnte. Die Juden hatten Jahrhunderte der Verfolgung durch die Hände selbstgerechter Christen erfahren, von denen viele Heuchler mit nur wenig Wissen über die Ursprünge ihrer Religion waren. Nun vertraten die Waldenser, wie viele Sekten vor ihnen, eine Rückkehr zu den ursprünglichen Prinzipien – und erlitten ähnliche Verfolgung. Therion, als Mitglied einer weiteren verfolgten Sekte, konnte diese Rolle mit Inbrunst spielen. Denn wer war von den Christen mehr verketzert worden als der Gehörnte Gott?
Bruder Thomas hatte sich wieder erholt. Lee wußte als Mormone ebenfalls, was Verfolgung hieß. Die Mormonen mußten öfter als einmal aus einem feindlichen Land fortziehen, um ihre Religionsfreiheit zu wahren, und alles nur, damit dieses Land, als Ausweitung der Vereinigten Staaten von Amerika, dieses neue Gebiet annektierte und wieder ihre Ehebräuche außerhalb des Gesetzes stellte. Aber hier mußte er eine Rolle spielen, und er würde sie gut spielen. „Das Heilige Amt hat keine Freude an den Leiden. Aber es ist nicht immer leicht, die unsterbliche Seele eines verhärteten Ketzers zu retten. Sicher ist die momentane Unbequemlichkeit bei der Befragung ein geringer Preis gegen seine Erlösung von den ewigen Höllenfeuern. Man muß die Pestbeule ausstechen, wenn es auch im Augenblick schmerzt, sonst vergiftet sie den ganzen Körper.“
Das war eine gute Bemerkung, dachte Bruder Paul. Lee kam mit dieser Rolle gut zurecht.
Aber der Jude drängte weiter zum Todesstoß. Wieder eine Beschimpfung. „Ich halte die Hölle für einen besseren Ort, um dort die Ewigkeit zu verbringen, als unter Heuchlern.“
„Nein, die Heuchler werden in die infernalischen Regionen abkommandiert“, entgegnete Bruder Thomas gleichmütig. „Dort erleiden sie die ewigen Qualen, die sie so verdienen.“
Abraham spielte Überraschung. „Ohne Vergebung?“
„Ohne Vergebung. Sie haben ihre Chance im Leben bekommen.“
„Keine Rehabilitierung?“
„Keine Rehabilitierung nach dem Tode.“
„Nicht einmal, wenn der Heuchler seine Sünden aufrichtig bereut?“
„Nein, wenn er einmal verdammt ist, bleibt er es ewig.“
„Und das hat Jesus Christus gesagt? Daß es keine Vergebung gibt, wenn der verlorene Sohn zurückkehrt?“
„Vergebung während des Lebens“, meinte der Dominikaner grimmig. „Es muß auch einen Endpunkt geben, und dieser ist gleichbedeutend mit dem Lebensende. Bei Eintritt des Todes ist die Entscheidung unwiderruflich. Daher geben wir uns so redliche Mühe, eine Seele rechtzeitig zu retten, mit welchen Mitteln auch immer. Wir wollen nicht, daß eine unsterbliche Seele unendlich leidet.“ Er blickte Abraham durchdringend an. „Es ist sogar noch Zeit für Euch, Jude!“
Abraham lachte. „Ich habe keine Angst vor Satan. Ich lebe lieber wie Jakob, geldgierig und lustvoll, betrügerisch und betrogen – und durch und durch menschlich. Wenn die Zeit kommt, werde ich mit Gott ringen wie er, und wir werden sehen. Jahve wird das schon verstehen.“
Das war die Interpretation Therions, dachte Bruder Paul. Er bezweifelte, ob ein richtiger Jude dies so interpretiert hätte. Therion war wie Lee durch seinen religiösen Hintergrund beschränkt. So wurde Gott in Formen des Satans gegossen.
Aber weder der aufrechte Lee noch der Dominikanerbruder konnte eine solche Bemerkung akzeptieren. „Gott nimmt keine Geldgierigen, keine Betrüger und keine fleischlichen Sünder an. Ihr seid blasphemisch!“
„Gott scheint das Heilige Amt zu akzeptieren“, bemerkte Abraham.
Aber Bruder Thomas war zu sehr vertieft, um das volle Ausmaß dieser Beleidigung zu erkennen. „Keine Kultur könnte derartige Dinge rechtfertigen. Sie sind vor Gott verabscheuenswert.“ Auch dies paßte zu den Bruder Paul bekannten Grundsätzen der Mormonen; die verbotene Frucht aus dem Garten Eden war gleichbedeutend mit Geschlechtsverkehr. Doch weil Gott dem Menschen befohlen hatte, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, hatten Adam und Eva das kleinere Übel gewählt und sich daran ergötzt. Dies war nach Meinung Bruder Pauls nicht allzu verschieden von der mittelalterlichen Doktrin.
Das Problem war nur, daß sich Lee im Buch der Mormonen besser auskannte als in der Bibel. Eine Menge Namen deckten sich, stellten jedoch verschiedene Personen dar. Der Jakob der Mormonen war mit dem der Bibel nicht identisch.
„Euer Gott hat einen Menschen akzeptiert, der seinen Erstgeborenen
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