Die Hölle von Tarot
mit seiner Mutter in die Wildnis schickte!“ sagte Abraham. „Abrahams Erstgeborener war Ismael – und er warf ihn zugunsten seines zweiten Sohnes Isaak hinaus. Von Isaak und seinem betrügerischen zweitgeborenen Sohn Jakob stammen die Juden ab, und von ihnen stammt Jesus ab, den ihr …“
Er brach ab, denn Bruder Thomas starrte ihn an. Verdammt – der Baalanhänger Therion hatte seinen persönlichen Gefühlen gestattet, ihn mitzureißen. Er hatte bei seiner Rolle vergessen, daß er Jude war. Als Therion wäre es normal gewesen, daß er die Verdammung seines philosophischen Ahnen Ismael zurückwies – doch als Jude war er aus der Rolle gefallen.
Dieser Fehler konnte dem Dominikaner einen Vorteil verschaffen – und Bruder Pauls eigene Position schwächen. Seine eigene Rolle stand auf dem Spiel. Abraham kannte seine Verbindungen zu den Waldensern, und Bruder Thomas vermutete sie. Eine Entdeckung oder Verrat würden ihn vernichten. Würde ihn Therion verkaufen, um die eigene Haut zu retten? Therion sicherlich! Er mußte eingreifen!
„Es gibt da vielleicht ein Mißverständnis“ sagte Bruder Paul vorsichtig. „Nach der Bibel war Ismael der Sohn Abrahams, aber gezeugt mit der Magd seiner Frau. Abrahams Frau Sarah war unfruchtbar; daher überließ sie ihm ihre ägyptische Magd, damit er einen Erben zeugte. Das war in jenen Tagen üblich, denn für die Nomaden waren Erben lebenswichtig. Der Brauch scheint von den Hurrianern abzustammen. Man erlaubte Mehrfachheiraten, und von daher kann man Abraham hier keinen Vorwurf machen. Er wäre tadelnswert gewesen, hätte er nicht für Nachwuchs gesorgt, um den Stamm fortzupflanzen.“
Der Mönch hätte vielleicht widersprochen – aber der Darsteller Lee, empfindlich Vorwürfen gegenüber dem alten mormonischen Brauch der Polygamie, konnte sich dazu nicht durchringen. Der Jude war froh, seinen Namensvetter Abraham verteidigt zu sehen, und der Schauspieler Therion froh, seinen Fehler wiedergutzumachen. Daher gewann Bruder Paul die Oberhand – für den Moment.
„Das Problem entstand, weil Isaak der legitime Sohn war, wenn auch Ismael der Erstgeborene war. Gott ließ Sarah im Alter von neunzig Jahren fruchtbar werden, und Abraham war hundert, als Isaak geboren wurde. Es war also ein nicht vorhersehbarer, bemerkenswerter Umstand gewesen. Zwischen den beiden Frauen bestand starke Rivalität, und am Ende konnte Abraham dies nur lösen, indem er Hagar, die Magd, und Ismael fortschickte. Doch Jahve kümmerte sich um sie, und ihre Abkömmlinge wurden die Araber – zahlreicher und blühender als die Abkömmlinge Isaaks, die Juden. Es war also eine schwierige Situation, und man mußte einen unbefriedigenden Kompromiß schließen, aber ich meine, man sollte dies weder den Arabern noch den Juden zum Vorwurf machen.“
„Werfen wir es den Hurrianern vor“, meinte Abraham sichtlich erleichtert.
Doch Bruder Thomas ließ nicht so leicht locker. „Aber wenn ich mich nicht täusche, sagte der Jude irgend etwas über Jakob, der betrog, Fleischeslust übte und mit Gott rang. Das hört sich aber ketzerisch an!“
Und er meinte, wenn Bruder Paul eine solche Handlung Jakobs verteidigte, anstatt sie zu leugnen, könnte er selber wegen Häresie angeklagt werden – und genau das wollte er vermeiden. Wenn ihn die Inquisition aufgrund dieses Vorwurfes einmal in der Folter hatte, würden seine Quäler bald den Rest der Informationen aus ihm herauspressen. Therion war offensichtlich nicht der rechte Mann, ihn hier herauszuhauen, weil er den Kindern Israels nicht freundlich gesinnt war. So war also wieder Bruder Paul an der Reihe. War da Satans Hand im Spiel? Wie auch immer, es war höllisch.
„Das waren harte Zeiten“, begann Bruder Paul vorsichtig. Er fühlte sich, als gleite er auf einer dünnen Eisscholle über den grollenden Schlund eines Vulkans. Ein Fehltritt, ein einziges Versehen – und das Verhängnis würde seinen Lauf nehmen. Satan nahm einen hohen Preis für gewährte Wünsche! „Abraham hatte viele Probleme und stand vor sehr schwierigen Entscheidungen. Sein Sohn Isaak hatte seine eigenen Probleme; er mußte seine hübsche Frau Rebekka vor den Nachstellungen der anderen Stammesbrüder schützen. Isaaks Zwillingssöhne, Jakob und Esau, stritten sich um seine Gunst. Isaak bevorzugte den starken Jäger Esau, während Rebekka den bescheideneren Jakob mehr liebte. Auch in dieser Familie gab es also sehr menschliche Konflikte. Man könnte es als Analogie sehen zu den
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