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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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aufgeben müssen, ungeachtet der Regeln in diesem Spiel und ohne Rücksicht darauf, wieviel ein jeder Teilnehmer insgeheim wußte. Und Lee würde sich absolut rollenkonform verhalten.
    Die Mönche rückten dichter an ihn heran. Dies war doch eine Animation! Waren sie echt? Vielleicht konnte er direkt durch sie und die Klostermauern hindurchgehen? Aber dies würde auch die Rolle sprengen. Satan hatte ihn auf eigenen Wunsch hierhergeschickt. So wie es aussah, würde es ihn nicht überraschen, satanische Elemente in dieser Sequenz zu entdecken. Vielleicht hatte er eine wirklich historische Rolle gespielt, und es standen noch wichtige Enthüllungen aus? Er mußte das Spiel der Animationen spielen oder alles verlieren, was diese Bilder für ihn bereithielten. Was bedeutete, daß er sich nun der Gewalt der Mönche überlassen mußte.
    Aber nicht das Tarotspiel. Wenn er an das Spiel glaubte, mußte er auch an die Waldenser glauben, die durch diesen Vertrauensbruch des Gauklers vernichtet würden. Man würde sie wegen Häresie anklagen, vielleicht foltern, vielleicht auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Wie man in der gleichen Gegend Johanna von Orleans verbrannt hatte – in einer Generation verbrennen würde. Bruder Paul konnte sich nicht erlauben, beim Untergang dieser guten Menschen mitzuwirken.
    Er konnte es sich weder leisten, seinen Unglauben an die Realität der Animationen freien Lauf zu lassen, noch, sich ihnen vollständig hinzugeben. Aber was war in dieser Hölle der Unentschiedenheit das richtige?
    Bruder Paul griff unter seine Kleider in die Geheimtasche. Die Finger umschlossen die Karten. Er nahm sie heraus, hielt sie für einen Augenblick hoch und betrachtete den wertvollsten Besitz, den er zur Zeit hatte: das Originaltarotspiel. Er hatte eine Höllenfahrt und Pest erdulden müssen, um diesen Gral des Kartenspiels zu erringen.
    Es zerriß ihn fast. Dann schleuderte er rasch die Karten in das lodernde Feuer und breitete dabei mit einer Bewegung aus dem Handgelenk heraus die Karten auseinander, damit sie schneller verbrannten.
    Bruder Thomas schrie, als stünde er selber in Flammen. Er schoß auf das Feuer zu und versuchte, die auflodernden Karten zu retten. Die anderen Mönche wollten ihn zurückhalten, weil sie ihn für wahnsinnig hielten – und das war er in diesem Augenblick auch –, und Bruder Thomas mußte es sich gefallen lassen, daß man ihn vor der sengenden Hitze zurückriß.
    Bruder Paul wußte um den Schmerz, den der andere durchlitt, denn er selber verspürte ihn. Er sah zu, wie sich die Karten in den Flammen bogen und wanden, als wollten sie der Hitze entgehen. Farbige Zungen tanzten über den Bildern. Die Hitze der Sonne, die Flammen der Hölle, die Verbrennung des Geistes – als Mikrokosmos!
    Die Flammen erstarben. Graue Asche blieb zurück. Es war geschehen – der Schatz war vernichtet, das Geschenk zurückgewiesen. Bruder Paul hatte sich an die Spielregeln gehalten und gewonnen. Auf Kosten seines Grals. Jetzt würde die Animation endlich aufhören und ihn von den Qualen seines ersten Wunsches befreien.
    Alle warteten absolut starr wie auf einem Bild. Nichts geschah. Es war entschieden – doch die Szene verschwand nicht. Satan war immer noch nicht am Ende.
    Wieder zurück in ihre Rollen. „Ihr habt vielleicht das Teufelsspiel und damit den Beweis gegen Euch vernichtet“, sagte Bruder Thomas. „Aber es bleibt in Eurem Kopf erhalten. Ketzerei ist eine Sache des Geistes, nicht der Materie. Dort müssen wir säubern – um deiner Seele und der Seelen der anderen Menschen willen, die durch ketzerische Lehren irregeleitet werden.“
    Es gab also doch keinen Weg, dies zu vermeiden. Die mittelalterliche Kirche hatte nichts gegen körperliche Mittel, um geistige Ziele zu erreichen. Das lief letztlich nur auf eines hinaus: Folter.
    „Wir müssen ihn in die peinliche Befragung nehmen“, entschied Bruder Thomas. „Man muß hier richtig und vollständig vorgehen.“
    Bruder Paul hustete. Dies war keine höfliche Form des Widerspruchs; sein Fieber stieg, und die Lungen rasselten. Die Lungenentzündung hatte ihn fest im Griff. Er befand sich in keiner guten Verfassung für die Folter. Vermutlich würde er sterben, ehe sie irgendeine Information aus ihm herausholten.
    Doch er hatte kein Glück. Bruder Thomas besorgte die besten Kräuterarzneien, gesunde Milch und Brot und ein bequemes Bett in einem ruhigen Zimmer und rief auch keinen Barbier herbei. Er kümmerte sich sehr bemüht um Bruder Paul und

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