Die Hölle von Tarot
Eine solche Sache … die Karten, könnte er dazu benutzen, um Geister herbeizurufen …“
Es wurde langsam klar. Ein König von zweifelhaftem Verstand war an Kunst und Magie interessiert. Vielleicht hoffte man, die Karten würden ihn ablenken, während andere die Regierung übernahmen. Nun, das war Bruder Paul egal. Wenn er jedoch das Tarotspiel der Waldenser neu erschuf … das wäre eine Art Verrat. „Tut mir leid“, sagte er.
Sie beugte sich weiter vor, wohl in der Annahme: Wenn ein Meter Abstand zu ihren Äpfelchen nichts bewirkte, würde ein halber Meter vielleicht wirksamer sein. „Ihr versteht nicht, Herr“, sagte sie eindringlich. „Wenn Ihr dies für Karl tut … wenn Ihr ihn fröhlich macht … hat das Heilige Amt über Euch keine Macht. Der König ist Karl!“
Oho! Ihr Angebot hatte ebensoviel Substanz wie ihr Busen. Sich in die Palastpolitik einmischen, um der Folter zu entgehen. Dieser Vorschlag besaß für ihn einigen Reiz. Aber wie konnte er all die getreuen Gläubigen der barba ungefährdet wähnen? Die Inquisition würde die Karten benutzen, um unvorsichtige Gläubige in die Falle zu locken und der Ketzerei zu bezichtigen. „Nein“, sagte er bedauernd.
„Ich wäre Euch höchst dankbar“, murmelte sie, und die zarten Finger spielten mit den Knöpfen an ihrem Gewand. „Es würde viele Wochen dauern, bis die Karten gemalt sind, und ich wäre immer bei Euch …“
Das war also ihr Angebot. Die Liebe einer schönen Frau.
Sie wußte nicht, daß er kastriert war. Durch Satans Schlangen war sie zwar in etwa ebenso behandelt worden wie er, doch offensichtlich hatte sich die Verstümmelung nicht in diese Sequenz übertragen. Immerhin hatte sie Kopf und Glieder zurück, während sie doch von Satans Maul zu Stücken zerbissen worden war. Natürlich nahm sie an, auch er sei wieder der alte.
Ihre Erscheinung und ihr Verhalten regten ihn vielleicht auf, doch jeder Versuch seinerseits, das Angebot anzunehmen, wäre fruchtlos. „Raus hier!“ rief er wütend.
Überrascht zog sie sich zurück. Und nun fragte er sich: Hätte ich diesem Angebot widerstehen können, wenn ich noch im Besitz meiner Hoden gewesen wäre?
Nach einiger Zeit führte ihn Bruder Thomas im Haus herum. Unten im Keller des Gebäudes befand sich eine dunkle, alte, aber funktionsfähige Folterkammer.
„Heute zeigen wir Euch lediglich die Instrumente“, erklärte Bruder Thomas mit rätselhaftem Blick. Wie sahen die Gefühle des Mormomen in dieser Rolle nur aus? „Ich muß mich für die Dunkelheit und sonstige kleine Unvollkommenheiten entschuldigen. Seit Karl VI. in Frankreich an die Macht kam, geht man gegen Glaubensverirrungen nicht mehr so streng vor, wie wir von der Kirche es für richtig halten. Daher haben unsere Gerätschaften durch Nichtgebrauch etwas gelitten.“
„So ein Pech“, meinte Bruder Paul grimmig. Sein Magen krampfte sich bei diesen Worten zusammen.
„Jedoch wird sich die Lage in einiger Zeit wieder verbessern. Die Sonne kann nicht immer hinter Wolken bleiben“, fuhr Bruder Thomas fort. „Bedeutet dies, daß Ihr über die Verzögerung verärgert seid?“
Nett. Keine Frage: Bruder Paul hatte verzweifelte Angst. Auf diese Weise war er noch niemals gefoltert worden, doch er wußte, daß die Inquisition darin meisterlich gewesen war. Dies war hier vielleicht eine Art Spiel, doch er wußte, daß er die Folter real spüren würde, und vielleicht würde sie echt sein! Waren die Vorfälle in früheren Animationen etwa auch durch Folter hervorgerufen worden? Alles war möglich.
Bruder Thomas öffnete eine schwere Eichentür und ging ihm voran in die dunkelste Kammer. Er nahm eine Wandfackel aus ihrer Halterung, zündete sie an seiner eigenen an und steckte sie wieder zurück. Nun konnte man den Raum in all seiner Schrecklichkeit erkennen, zwar ohne alle Einzelheiten wahrnehmen zu können, doch für Bruder Paul war es immer noch zuviel. Er war angefüllt mit metallenen und hölzernen Geräten. Bei einigen war der Zweck nicht erkennbar, während andere ihre Funktionen allzu brutal offenbarten. Es gab eine riesige Feuerstelle mit verschieden großen Kesseln, die mit Wasser, Öl oder anderen Flüssigkeiten angefüllt waren. Es gab Messer, Eisenstäbe und Äxte. Von hohen Gerüsten baumelten Seile herab. An den Wänden hingen Ketten und Fesseln, jede Menge Leitern und Speichenräder.
„Ihr seht, wenn Laien Hexenkunst ausüben, ist das Zauberei“, sagte Bruder Thomas, als sei es eine rein akademische Frage.
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