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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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„Und Hexerei ist Ketzerei. Frankreich ist der übrigen Welt bei der Definition und Darstellung dieser Bedrohung vorausgegangen. Unsere Theologen sind dabei, ein leicht faßbares System auszuarbeiten, das die Welt von diesem Übel befreit. Erzbischof Guillaume d’Auvergne von Paris hat vor mehr als einem Jahrhundert den Weg dazu gewiesen, und Thomas von Aquin trug viel dazu bei, um ihn weiterzuentwickeln. Wir Dominikaner wurden von Papst Gregor auserwählt, dieses Heilige Amt zu versehen, das nur dem Papst untersteht. Wir tun unser Bestes.“
    „Ohne Zweifel“, stimmte Bruder Paul zu.
    „Aber wir würden nicht gern jemandem unnötigen Kummer bereiten“, meinte Bruder Thomas mit schiefer Miene. Sein Blick traf für einen Moment den Bruder Pauls, und nun gab es keinen Zweifel, daß hinter der Disziplin der Rolle ein belastetes Gewissen stand. „Ich hoffe aufrichtig, daß man Euch überredet, mit uns zusammenzuarbeiten, damit wir keine Zwangsmaßnahmen anwenden müssen.“
    In Bruder Pauls Jugend, als er das College besuchte, hatte man ähnliche Hoffnungen gehegt. Aber nur selten wurden menschliche Würde und Freiheit ohne Gegenwirkung unterdrückt. Immer schlugen die Menschen zurück, einige in begrenztem Ausmaß, andere auf der ganzen Ebene. Bruder Paul fürchtete, er gehörte zum letzteren Typus.
    Doch er wußte, daß Lee ihn nicht foltern wollte. Wenn also der Text dieser Sequenz heuchlerisch gemeint war, so klang es doch aufrichtig. „Ich glaube Euch“, sagte Bruder Paul. „Doch nehmen wir einmal folgenden Fall an: Was würde aus der Seele eines Menschen, der diejenigen verrät, die ihm vertrauten? Wenn er sich selber vor Ungemach schützt, indem er andere dem Scheiterhaufen ausliefert?“
    „Ketzer!“ schnaubte Bruder Thomas. Doch wieder verriet er Zeichen der Belastung. Ein Wangenmuskel zuckte verdächtig, und die Augen hatte er zu Schlitzen zusammengezogen. Doch diese Symptome schwanden ein wenig, als er zu den ersten Folterinstrumenten gelangte.
    „Das sind Daumenschrauben“, sagte Bruder Thomas, indem er kleine Metallgeräte an das Licht der Fackel hob. „Das Band wird an Daumen oder Fingerspitzen angeschnallt, dort, wo der Nagel beginnt, und festgezogen, bis das Blut fließt oder der Knochen splittert. Es ist erstaunlich, wie schnell sie die Geständnisse herauspressen; oft reicht schon der erste Finger. In sehr hartnäckigen Fällen kann es jedoch vorkommen, daß die Schraube festklemmt, und man kann sie nur entfernen, indem man den Finger abhackt. Wir hoffen, bessere Instrumente zu entwickeln, um solche Schweinereien in der Zukunft zu vermeiden.“
    Bruder Paul zwang sich, die Daumenschrauben eingehend zu betrachten. Es waren grobe Apparate, eigentlich keine Schrauben, sondern Metallbänder, die durch gedrehten Draht zugezogen wurden. Die Inquisition steckte allerdings auch noch in den Anfängen; innerhalb der nächsten drei Jahrhunderte würden ausgefeiltere Folterinstrumente entwickelt werden – genau wie es Bruder Thomas vorhersah. In jenen frühen Tagen war es möglich, daß ein Opfer starb, ehe es gebeichtet hatte; später passierte das kaum noch. Sollte sich dieses Opfer nun glücklich oder unglücklich wähnen?
    „Und hier haben wir die Peitschen“, fuhr Bruder Thomas fort. „Normalerweise entkleiden wir den Verdächtigen, binden ihn fest und peitschen ihn auf Rücken und Schenkel. Das ist die erste Stufe der peinlichen Befragung. Wenn dies nicht wirkt, strecken wir ihn auf die Leiter …“ – er deutete auf eine einfache Holzleiter – „… und gießen heißes Fett über seinen Körper. Normalerweise gesteht er dann.“
    „Wie bequem.“ Es ging grob, aber wahrscheinlich sehr effizient zu. Bruder Paul war sicher, derartige Foltern nicht aushalten zu können. Doch im Wissen, daß viele Waldenser, deren einziges Verbrechen darin bestand, an die ursprünglichen Prinzipien Jesu Christi und die Heiligkeit der Bibel zu glauben, ähnlich gequält und vernichtet werden würden, wenn er weich wurde – wie durfte er da weich werden? Er dachte an die dankbare alte Frau, zerbrochen auf der Leiter, und an das kranke kleine Mädchen mit Daumenschrauben an den Fingern. Seine Sicht wurde durch eine satanische Wut getrübt.
    „Und wenn der Verdächtige unschuldig ist?“ fragte Bruder Paul und war überrascht, daß seine Stimme nicht zitterte. „Was soll die Folter, wenn der Mann nichts zu gestehen hat?“
    „Es gibt keinen unschuldigen Verdächtigen“, sagte Bruder Thomas mit

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