Die Hölle von Tarot
Tarot erschaffen hast. Erinnerst du dich nicht?
Bruder Paul schüttelte den Kopf. „Ich habe kein Spiel erschaffen, außer in dem Sinne, daß ich vielleicht das waldensischen Spiel ausgegraben habe, um es zu schützen …“
Vielleicht hast du es anders genannt. Vielleicht wurde es erst nach deinem Tod Cluster genannt.
Bruder Paul dachte darüber nach. Er hatte sein Leben noch nicht hinter sich; daher konnte er nichts darüber sagen, was in seiner Zukunft noch geschehen würde, was er in späteren Jahren noch tun würde, wenn er diese Animation überlebte. Mit den konventionellen Tarotspielen war er nicht zufrieden, eingeschlossen das des Heiligen Ordens der Vision. Ihm war nur noch das Original-Waldenserspiel recht, und das war der Welt 1392 verlorengegangen, wenn es auch keinen Grund mehr gegeben hatte, es zu verbergen.
Dann brach es über ihn herein wie die Vision über den Heiligen Paulus: Er konnte ja dieses Spiel rekonstruieren und der Welt zurückgeben! Er konnte den Schaden wiedergutmachen, den er angerichtet hatte, jetzt, da die Welt für das richtige Tarot wieder sicher war. „Dieses sogenannte Clusterspiel – hat es fünf Farben?“
Aber gewiß.
„Und dreißig Trümpfe? Alles zusammen hundert Karten?“
Jetzt erinnerst du dich! Genau das ist es. Und der ‚Geist’ hat fünfzehn verschiedene Karten für jene, die vierundvierzig Trümpfe oder eine Extra-Farbe benötigen.
Fünfzehn Bilder für die Geist-Karten. Das paßte aber nicht zu dem Waldenserspiel! Immerhin schien das Rätsel zumindest teilweise gelöst. „Ich vermute, ich habe das Originalspiel rekonstruiert, und spätere Generationen haben es ausgearbeitet und umbenannt. Ich verdiene keinen Ruhm für die Neuerschaffung; die steht jenen anonymen Menschen sechshundert Jahre vor meiner Zeit zu. Und ich habe nichts mit irgendeinem Tempel zu tun.“
Ich weiß nicht viel über die Geschichte fremder Sphären, erwiderte Herald diplomatisch. Aber ich bin sicher, du bist der Begründer.
Wer konnte schon sagen, was ihm noch alles zugeschrieben werden würde nach seinem Tode, wenn er nicht mehr dagegen protestieren konnte? Es hatte keinen Zweck, weiter zu diskutieren. „Ich bin hier, um dir bei deinem Problem zu helfen und nicht, um meines zu lösen. Was bedeutet dir am meisten?“
Darauf folgte Verwirrung, aber nach einiger Zeit errang der Andromedaner soweit die Fassung wieder, daß er antworten konnte. Du fragst, was für mich bedeutend ist? Das ist meine solarische Kindsbraut, die man wegen Besitz verbrannte, obwohl sie unschuldig war …
„Besitz? Von was denn? Einer verbotenen Droge?“
Einer fremden Aura.
„Oh. Du hast aber gesagt, es sei möglich, die Seele von einem Körper auf einen anderen zu übertragen.“ Dies wäre ihm sehr unverständlich geblieben, wenn nicht Antares ihm Aufschluß darüber gegeben hätte. „Und einige Seelen – einige Auren dürfen in bestimmte Körper nicht hinein. Bestraft man sie deshalb?“
Unvermittelt projizierte Herald das Bild eines Schlosses: ein mittelalterliches Gebäude der Erde mit Türmen und einem Wassergraben weit wie ein See. Es ähnelte dem Gebäude, das Bruder Paul in der ersten Animation betreten hatte. Dieses hier wurde von sonderbaren, mit Rädern versehenen Wesen belagert, die über eine Kiesrampe oder einen Damm fuhren, der vom Ufer bis zur Außenmauer reichte.
„Der Turm der Wahrheit!“ rief Bruder Paul. „Oder ist es das Verlies des Bösen?“
Der Schlitz antwortete nicht direkt. Die Szene weitete sich aus. Es war, als flögen sie über das Wasser in die verbotene Inselfestung hinein. Schon wieder Seelenwanderung!
Im mittleren Innenhof brannte ein großes Feuer – und in jenem Feuer, an einen Pfahl gebunden, stand ein nacktes, schönes junges Mädchen. Flammen züngelten an ihren Beinen hoch, die sie vergeblich aus der Hitze emporzuheben suchte.
Ihre Haut war fremdartig grünblau gefärbt, doch die Züge wirkten sogleich vertraut. „Carolyn!“ keuchte Bruder Paul in plötzlicher Verzweiflung. Seine Tochter!
Herald blitzte ihn fragend an, und Bruder Paul merkte, daß der Schlitz nicht die gleiche Identität wahrnahm. Das Mädchen war nicht die richtige Carolyn, konnte es nicht sein; diese würde im einundzwanzigsten Jahrhundert gelebt haben und gestorben sein. Doch die hier war eine Ersatzerscheinung, vielleicht ein weiblicher Nachkomme in der fernen Zukunft, sein Tochterbild, das unschuldige Kind. Hier war sie früh zur Frau gereift – wie es vielleicht in
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