Die Hölle von Tarot
oben auf dem Holzstapel im Dorf Zentrum. „Das Gas scheint sich verflüchtigt zu haben“, sagte er. „Wenn der Schwellenwert für eine Animation unterschritten wird, schwindet der Effekt so schnell, wie man eine Kerze ausbläst. Ich habe letzte Nacht eine Reihe reifer Blasen hierhergebracht, aber sie haben nicht ausgereicht, die Wirkung lange beizubehalten. In der Senke des Nordloches, wo die Bedingungen viel besser für sie sind, halten die Animationen länger an, es sei denn, ein Sturm treibt das Gas anderswohin. Aber vermutlich habe ich die Sache schon klar genug gestellt.“
„Das haben Sie“, sagte Pfarrer Siltz. „Aber wie lautet die Antwort? Wer ist der Gott von Tarot?“
„Das ist schwierig zu beantworten, da Sie die angebotene Antwort zu verweigern scheinen“, sagte Bruder Paul langsam. Jetzt kam der Teil, den er haßte! „Alle Manifestationen von Animationen sind offenkundig physikalisch erklärbar. Die Variablen der Blasen und der individuellen Auren erschwerten den Weg zu dieser Erklärung, aber ich glaube, daß unabhängige Forschung meine Schlüsse unterstützen wird. Daher brauchen wir nicht mehr notwendigerweise einen Gott als Ursache anzunehmen.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen. „Es gibt keinen Gott?“ fragte Siltz langsam. Er schien zum Sprecher für die gesamte Gemeinde geworden zu sein.
„Ich … kann es nicht sagen“, gab Bruder Paul zurück. „Ich kann lediglich mitteilen, daß sich Gott mir gegenüber nicht durch eine Animation manifestiert hat. Daher kann ich den Gott von Tarot nicht identifizieren – weil ich keinen konkreten Beweis habe, ob es überhaupt einen solchen Gott gibt.“
„Aber es gibt einen Gott“, beharrte Siltz. „Und diesen Gott findet man im Herzen der Menschen selber. Und die Animation manifestiert, was im Herzen eines Menschen liegt. Sie haben diese Wahrheit gesucht. Gewiß haben Sie auch irgend etwas gefunden.“
„Nein“, erwiderte Bruder Paul schwerfällig. „Ich bin nicht mehr sicher, ob es einen Gott gibt. Ich habe nach Ihm so intensiv gesucht, wie ich nur konnte, wurde aber immer wieder zurückgewiesen und fand nur, daß meine höchsten Grundsätze erniedrigt wurden. Am nächsten kam ich Gottes Gegenwart ironischerweise, als ich in einer gänzlich anderen Richtung suchte.“
Es gab keinen wütenden Aufschrei. Die versammelten Dörfler der verschiedensten Glaubensrichtungen sahen ihn mitleidig an. „Aber sicher haben Sie den Glauben an Ihren Propheten Jesus Christus beibehalten“, fragte Siltz. „Wir haben Sie gebeten, unseren Gott zu bestimmen, aber nicht, dem Ihren abzuschwören.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch glaube“, antwortete Bruder Paul. „Was Jesus tat, kann auf die Wirkung der Aura zurückgehen. Er war vielleicht ein gewöhnlicher Mensch, doch auch ein … ein Verstümmelter, mit extrem intensiver Aura. Auren können Visionen hervorrufen, Auren können heilen. In der Zukunft wird es Wesen geben, die ein Geschäft damit betreiben, indem sie mit ihrer Aura andere heilen, und sie messen dem keinerlei religiöse Bedeutung bei.“ Herald der Heiler, wo bist du jetzt? „Gott – ich habe Schwierigkeiten, eine objektive Rationale für die Existenz eines Obersten Wesens angesichts dessen zu finden, was ich nun über Animationen und Auren weiß.“
„Aber das ist keine Negation!“ rief Siltz. „Diese Dinge beweisen vielleicht lediglich, daß Gott durch ein Werkzeug wie die Alten gehandelt hat. Es gibt unbekannte Dinge, die wir uns nicht erklären können, es gibt falsch und richtig. Es muß eine göttliche Inspiration geben, eine Leitlinie – und Sie müssen einige Hinweise hinsichtlich dieser Kraft bekommen haben.“
„Vielleicht“, meinte Bruder Paul zögernd. Er wußte, was Siltz im Sinn hatte: den Planeten Tarot vor der Depression und dem Chaos retten, den eine negative Entscheidung mit sich bringen würde. Besser einen anderen Gott als die Anarchie. Diese Kolonie mußte sich einigen, zumindest auf der politischen Ebene, und zwar auf einen einzigen Gott – irgendwann. „Aber ich bin nicht mehr sicher, was wahr und was falsch ist oder ob es überhaupt einen Unterschied gibt. Ein Begriff ist ohne den anderen ohne Bedeutung. Gott ist entweder in beiden oder in keinem, aber nicht in einem von beiden. Aber ich würde auf der Grundlage eines solchen Beweises nicht annehmen …“
„Das ist keine bloße Annahme! Fünf Personen haben an Animationen teilgenommen, alle haben zu den Visionen beigetragen.
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