Die hölzerne Hedwig
seiner acht Etablissements, von denen vier sexuelle
Dienstleistungen im Angebot hatten. Offenbar musste man sich Macciato als die neue Generation vorstellen. Keine Tätowierungen,
keine Breitwandreifen, keine Männerrunden, in denen das Testosteron dampfte. Er setzte Wirtschafter ein, die die Läden reibungslos
führten. Die Kabbelei mit den Nachbarn hatte Macciato persönlich gelöst, indem er die Hausgemeinschaft einen Abend lang eingeladen
hatte: Essen und Trinken waren aufs Haus gegangen, Macciato selbst hatte sich mit den Nachbarn ausgesprochen.
»Ein genialer Hund«, murmelte Küchenmeister. »Man lernt ihn richtig hassen.«
|108| »Gab’s nie Ärger mit den Mädchen? Menschenhandel, Entführung, körperliche Gewalt?«
Mehrfach hatten sich Mädchen beschwert, mit einer Ausnahme war alles niedergeschlagen oder angekündigte Anzeigen waren zurückgezogen
worden. Die Ausnahme war eine Prostituierte aus Litauen, die sich selbstständig machen wollte und nicht einsah, warum es in
Görlitz so schwer sein sollte, Lokale zu pachten. Sie hatte eine Verschwörung gewittert, man hatte ihr geraten, sich zu der
Einsicht durchzuringen, dass jeder Markt in einer freien Wirtschaftsordnung Marktpreise entwickelte, die zu zahlen seien oder
man müsse sein Glück in einem anderen Markt versuchen. Das hatte sie dann auch getan und war Richtung Ostsee verschwunden.
Die örtliche Polizei beschrieb Macciato als smart und geschickt. Seitdem er Teil der Szene war, hatten Schlägereien abgenommen.
Natürlich gab es die traditionellen Rednecks noch, doch sie waren in Reservate abgedrängt worden, wo sie ihr Süppchen kochten.
Man kam sich nicht in die Quere, den Vorteil davon hatten die Polizei und die Bürger.
»Klingt zu schön, um wahr zu sein«, murmelte Karolina.
Zurück nach Hammerloh. Die Eigentumsverhältnisse im ehemaligen Gasthof waren so, wie Karl sie beschrieben hatte: Kassian war
der Eigentümer und hatte mit jedem Bewohner einen Mietvertrag abgeschlossen. Kassians Anwalt hatte betont, darüber keine Auskunft
erteilen zu müssen. Weil Kassian ihn aber ausdrücklich aufgefordert habe, der Polizei jede gewünschte Information zu geben,
werde man kooperieren und freue sich darauf, jede Frage zu beantworten.
Karolina Pape, frühere Hebamme, hatte die Mordhütte zwei Jahre als ersten Wohnsitz angegeben. Sonst bestanden |109| keine offiziell nachweisbaren Beziehungen von Bewohnern zu der Hütte. Dass Macciato als Eigentümer im Grundbuch stand, hatten
die Kommissare schon vorher gewusst. Vorbesitzerin war eine Beamtenwitwe aus Hannover gewesen, ihre Bank hatte ihr die Hütte
als Alterswohnsitz aufgeschwatzt, sie war entsetzt gewesen, als sie sie zum ersten Mal in Augenschein genommen hatte – nach
dem Kauf.
Auf der Karte fanden Karolina und Küchenmeister Salzwedel. Hinfahren oder kollegiale Hilfe anfordern?
»Sie wissen, wie ungern ich Sie allein lasse«, sagte Küchenmeister. »Und wo jetzt dieser gefährliche Geschäftsmann aufgetaucht
ist …«
»Ich könnte Marvin bitten, mich zu beschützen.«
»Besser hätte ich meine Besorgnis nicht auf den Punkt bringen können.«
Sie trafen sich an der Theke. So lang wie ein Tennisplatz quer. Gewienert wie ein Operationssaal. Aber die flüssigen Desinfektionsmittel
waren wohlschmeckender. Die Kommissarin wartete darauf, dass Macciato den Kenner hervorkehren und den Bediener an seine Grenzen
treiben würde. Stattdessen gab er sich mit Bier zufrieden. Sie kamen zur Sache. Salzwedel, die Bordons, wann, wo, warum? Was
waren das für »Kanäle«, über die er die beiden getroffen hatte?
Macciato schätzte die Gesichter ab und sagte:
»Ginge es nicht um Mord, würde ich lavieren, und Sie würden es nicht merken.«
»Ihre Art, Vertrauen aufzubauen, erinnert an Fallschirmsprünge ohne Fallschirm.«
»Mit dem Unterschied, dass ich tatsächlich schon gesprungen bin und Sie nicht.«
|110| Danach zierte er sich nicht mehr. In Salzwedel hatte er keine geschäftlichen Interessen, aber einen Kollegen, fast einen Freund.
Der war der Liebe wegen in die Provinz gegangen. Die Liebe war vergangen, nun saß er da mit dem schnuckeligen Café, das er
der großen Liebe spendiert hatte und das die nun nicht mehr brauchte.
»Ich musste einfach hin. Er war kurz davor, alles in die Luft zu sprengen. Es kann verdammt einsam sein in solchen kleinen
Orten. Das ist schlimmer als in einem Dorf. Im Dorf macht man sich keine Illusionen. Aber in diesen
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