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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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Schrauben, Dübeln.
     Mumifizierte Pinsel, Dosen mit Farbresten, vollkommen ausgetrocknet. Hier hatte seit langer Zeit niemand gearbeitet.
    Während sich die beiden Männer auf den Stufen von der Dreckarbeit erholten, tauchte Popeye auf. Er hatte Eimer und Korb dabei,
     erkundigte sich, ob er im Garten ernten dürfe: Äpfel, Birnen und was noch in der Erde steckte.
    »Bei uns auf dem Land lässt man nichts verkommen«, sagte er.
    »Nur ab und zu ein Menschenleben«, knurrte Küchenmeister. Der Händedruck geriet zum Duell, das der Kommissar |140| nicht gewinnen konnte. Er spürte, dass der andere noch zuzusetzen hatte, es aber nicht mit einer Demonstration seiner Stärke
     übertrieb.
    Küchenmeister telefonierte mit der Zentrale. Man sollte sich auf alle Läden konzentrieren, die Geschenke, Souvenirs und regionalen
     Kitsch im Angebot führten. Vielleicht hatte Bordon seine Kunst in Kommission gegeben, vielleicht hatte er Gespräche geführt,
     waren Bemerkungen gefallen.
    Als der Kommissar in den Garten kam, war Marvin gerade damit beschäftigt, sensible Fahndungsergebnisse weiter zu tratschen.
    »Ich hab mir das gedacht«, sagte Popeye, »ich hatte das im Gefühl. Die waren nicht wie Mann und Frau. Sie war nicht scharf
     auf ihn und er hatte was von Beschützer. Bruder, das passt wie die Faust aufs Auge.«
    Der Kommissar durchbohrte Marvin mit Blicken, dass dem angst und bange wurde.
    »Mir war das nicht … ich dachte, das muss man nicht … oh mein Gott. Das ist mir ja so peinlich«, stammelte der junge Cop.
    »Das wirft dich zurück«, knurrte der Kommissar. »Betrachte dich als Polizeihund, aber als einen, der nichts zu lachen hat.«
    »Ach, lass mal«, sagte Popeye. Auf der Leiter war er kaum zu sehen. Es war, als würde der Apfelbaum sprechen. »Unser Marvin
     ist schon richtig.«
    Küchenmeister war aber danach, den redseligen Kollegen zu schurigeln. Dass er einen Zeugen hatte, bremste seinen Elan nicht.
    Der Apfelbaum begann zu erzählen, schnell hatte er zwei |141| aufmerksame Zuhörer. Ab und zu ließ er einen Apfel fallen, der auf dankbare Abnehmer traf.
    In dieser Gegend fanden die Schützenfeste nach Ostern statt und zogen sich bis in den Juni hinein. Beim Schützenfest hauten
     auch die auf den Putz, die das Jahr über solide lebten. Die Rheinländer und Badener hatten Karneval und Fasnacht, hier war
     es das Schützenfest, denn beim Faslam, der norddeutschen Variante des Frohsinns, blieben diejenigen unter sich, die sich nicht
     genierten, wenn sie sich wie im Fernsehen benahmen. Beim Schützenfest ging alles: Von Donnerstag bis zum Ball am Samstagabend
     sah man Nachbarn zu ungeahnter Form und Verhaltensweisen auflaufen. Auch Frauen. Popeye hatte mit Freunden weiter südlich
     gefeiert. Auf dem Rückweg, zu Fuß und in Schräglage, war ihm Bordon über den Weg gelaufen: allein, betrunken und redselig.
     Das Gegenteil der restlichen 52 Wochen des Jahres. Die Männer hatten sich untergehakt, gesungen hatten sie, Urinmarken gesetzt,
     gelästert, lauter gesungen und Jagd auf vorbeifahrende Autos gemacht.
    Geschlafen hatten sie auf einem Hochsitz. Bordon, dem das deutsche Wort für »Wildschwein« fehlte, hatte darauf bestanden.
     Alkohol, leichter Schlaf, viel Zeit, um zu erzählen. Bordon war auch zur See gefahren – im Gegensatz zu Popeye auf die harte
     Tour: Nordmeer, russische Frachter, veraltete Technik, die Heuer Monate zu spät, das Essen ungenießbar. Abgemustert, Bohrinsel,
     Geld wie Heu, Kündigung über Nacht, Chaos der Revolution in der Heimat. Erst schlug er sich allein durch, dann brauchten die
     Eltern Hilfe, dann hatte er Irena bei sich. Zu zweit ging es in den Westen, dorthin, wo alles besser war, wo das Geld auf
     der Straße lag und man sich nur |142| bücken musste. Im deutschen Osten waren sie gelandet, Irena als Kellnerin, Bordon auf der Suche nach alten Freunden. Entweder
     fand er sie nicht oder sie hatten sich gewandelt, waren piekfein geworden und wollten ihre alten Freunde nicht mehr kennen.
     Das Geld mochte auf der Straße gelegen haben, aber andere hatten sich schneller danach gebückt.
    Irena verdiente den Lebensunterhalt, Bordon saß zu Hause und führte ein Leben, das er verabscheute. Vom Geld einer Frau abhängig
     zu sein! Bordon schämte sich und musste froh sein, den Großkotz zu treffen, der ihnen die Hütte verschaffte – billig, aber
     weit ab von allem, womit sich Geld verdienen ließ. Wer hier nicht Bauer war oder einen Arbeitsplatz in der Stadt besaß,

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