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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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und verzweifelt.
    »Wir finden den Schatz«, sagte Ev. Ihre Stimme war plötzlich klar und sehr ernsthaft. »Du kannst die Wahrheit nicht ewig verstecken.
     Du suchst und suchst, und wenn du 20 Jahre gesucht hast, kannst du viele Striche machen. Und wenn du 30 Jahre gesucht hast,
     ist die Hoffnung groß. Du darfst nicht aufhören, verstehst du? Du musst immer weitermachen.«
    Sie waren zu dritt, Popeye, Kassian, Macciato. Sie kamen vom Dorf her und zogen Ev von der Kommissarin fort. Sie führten die
     verwirrte Frau fort, die nicht mehr sprach und sich nicht wehrte. Sie reichten ihr etwas, das Ev in den Mund steckte. Dann
     führte Popeye die Frau fort, ein Arm um ihre Schulter. Es gab nichts auszusetzen an seiner Haltung. Dennoch spürte die Kommissarin
     einen Aufruhr, der größer war als in den Momenten, in denen sie mit Ev gerungen hatte.
    »Ich hoffe, der Schreck war nicht zu groß«, sagte Kassian. Die Kommissarin dachte: Wenn du mich anfasst, wirst du das bereuen.
    »Sie ist sonst nicht so«, behauptete Kassian.
    »Dann hätten Sie ja auch gelogen. Sie haben schließlich behauptet, sie benehme sich normal und brauche keine Hilfe.«
    »Davon habe ich nichts zurückzunehmen. Unsere gute Ev |176| macht uns keinen Kummer – bis auf zwei Tage im Jahr. Sie müssen zugeben, das ist eine gute Bilanz.«
    Die Nacht des Umzugs und der Tag danach. Manchmal auch davor. Das waren die Tage, an denen Ev sich veränderte. Da kam die
     Angst, da lief sie los und beschützte alle Menschen. Meistens ging es glimpflich aus, denn die Menschen kannten Ev und Kassian
     war zur Stelle. Diesmal war es anders verlaufen, weil Fremde im Dorf waren. Fremde lösten bei Ev Beschützerinstinkte aus.
     Natürlich hatte sie nicht am Umzug teilgenommen, das war ihre freie Entscheidung. Kassian und Dora waren mitgegangen, Popeye
     spielte jedes Jahr auf dem Schifferklavier. Deshalb hatte Karl zu Hause den Babysitter gespielt, ausnahmsweise, Ev zuliebe,
     nicht seinem Vater. Wenn Karl da war, wurde Ev friedlich, sogar freundlich. So war es auch gestern gewesen. Nichts hatte darauf
     hingedeutet, dass es diesmal … aber dann nutzte sie die erste Gelegenheit und verschwand im Wald.
    »Aber sie konnte doch nicht wissen, dass morgens jemand an der Eiche ist«, sagte die Kommissarin.
    »Sie wollte beschützen. Sie hätte solange gesucht, bis sie jemanden gefunden hätte, der sich beschützen lässt.«
    Das war einleuchtend. Aber warum Macciato so eng mit der WG war, dass er an der Suchaktion teilgenommen hatte, leuchtete nicht
     ein. Die Kommissarin bat um Aufklärung.
    »Ich fahre hier nicht eher weg, bis ich nicht mit jedem gesprochen habe«, sagte Macciato mit der Offenheit, die sie schon
     erlebt hatte.
    Kannte er die Legende von Hedwig? Das bestritt er, aber er habe Respekt vor der Bereitschaft der Menschen, an fromme Helden
     und Legenden zu glauben. Der Mann sagte |177| immer das Richtige und weckte mit dieser willfährigen Bereitschaft zu korrektem Verhalten den Argwohn der Kommissarin.
    »Wissen Sie, ich mag die Menschen.«
    »Diese Worte aus dem Mund eines Mannes, der wahrscheinlich kein praktizierender Christ ist? Oder sollte ich mich irren?«
    Wie eifrig er ihr nach dem Mund redete. Wie wichtig es ihm war, einen guten Eindruck zu hinterlassen.
    »Es ist das Land«, behauptete Macciato. »Es ist so … so aufregend in seiner alltäglichen Art. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt,
     mich verständlich zu machen.«
    »Sie denken darüber nach, ein Bordell mit rustikalen Bildern und ländlicher Speisekarte zu eröffnen, und Ihre Mädels tragen
     im Dienst Gummistiefel.«
    Dies war eigentlich Küchenmeisters Text, aber ihr war danach. Zum Glück mischte sich nun Kassian ein und schlug den gemeinsamen
     Rückweg vor. So landete die Kommissarin am späten Vormittag noch einmal im Gasthof und traf dort auf ihre Kollegen. Marvin
     stand in Küchenmeisters Zimmer, die Hände am Körper hängend, als würden sie nicht zu ihm gehören. Der Kommissar saß auf dem
     ungemachten Bett und faltete den jungen Kollegen zusammen.
    »Das reicht aus, um dich den Krokodilen vorzuwerfen, das muss dir klar sein. Wer wichtiges Material zurückhält, gehört nicht
     zu uns, sondern zur Gegenseite. Auch das sollte dir klar sein.«
    Die Kommissarin wollte sich einmischen, aber Küchenmeister war so schön in Fahrt.
    »Weißt du, Marvin, junge Menschen sind an und für sich |178| schon Idioten. Dazu müssen sie gar nichts weiter tun als jung sein. Bei dir kommt noch

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