Die Hoffnung ist gruen
ein paar Schritte von ihr entfernt, die Freundin ihres Bruders lag â tot, wirklich tot â, die sie veranlasste, den Mund so weit aufzureiÃen, dass sie das Gefühl hatte, jeden Moment würden ihre Mundwinkel einreiÃen, und laut loszukreischen.
Sie schrie und schrie, bis der Polizist sie einfach fest an sich zog und ihr gleichzeitig die Hand auf den Mund presste. Erst nachdem er eine Weile beruhigend auf sie eingeredet hatte, ohne dabei seinen Griff zu lockern, lieà ihr Gekreische nach und ging in ein leises, verzweifeltes Wimmern über.
âKennst du die Tote?â, fragte der Polizist behutsam.
Natürlich kenne ich sie. Amelie, dort liegt Amelie. Mariusâ Amelie. Mariusâ groÃe Liebe. Mariusâ Leben. Mariusâ Hoffnung. â Alles, was Marius jemals an groÃen Gefühlen hatte, liegt dort auf dem aufgeweichten, matschigen Parkboden mit geballten Händen, wollte Lisa am liebsten schreien. Doch sie war zu nichts anderem in der Lage, als weiter zu wimmern und ihren Kopf so zu bewegen, dass man ein Nicken erahnen konnte, zumal sich die Hand des Polizisten noch immer auf ihrem Mund befand.
Doch das schien ihm schon auszureichen.
âHannesâ, rief er zu den Scheinwerfern hinüber, âsag doch mal Kommissar Böttcher Bescheid. Hier ist ein Mädchen, das die Tote kennt. Und hol mal den Doc gleich dazu. Sie steht ziemlich unter Schock.â
Dann wandte er sich wieder Lisa zu. âIch nehme jetzt ganz langsam meine Hand von deinem Mund. Bitte fang nicht gleich wieder an zu schreien. Alles ist gut. Niemand tut dir etwas. Du bist in Sicherheit. Ich kann mir vorstellen, dass das ein ganz schöner Schock für dich ist, eine Freundin dort liegen zu sehen. Sie ist doch eine Freundin, oder?â
Er schien nicht wirklich eine Antwort auf seine Frage erwartet zu haben. Und Lisa hätte auch keine gehabt. Amelie war Marius` Freundin. Schon seit eineinhalb Jahren. Aber war sie auch Lisas Freundin? Wohl kaum. Lisa war oft eifersüchtig auf Amelie gewesen, weil Marius sich, seitdem er mit Amelie zusammen war, kaum noch um sie kümmerte. Früher waren sie unzertrennlich gewesen. Er war ihr groÃer, toller Bruder. Ihr Beschützer, in der miesen Gegend, in der sie wohnten. Doch dann hatte er Amelie kennengelernt.
Amelie kam nicht aus der Siedlung. Sie wohnte in einer reichen Gegend. Machte solche abgefahrenen Sachen wie Yoga, liebte englische Literatur und hatte zum Kotzen reiche und eingebildete Eltern.
Lisa hatte Amelie in den letzten eineinhalb Jahren mehr als einmal verflucht. Und noch öfter hatte sie sich gewünscht, dass sie wieder verschwinden würde. Puff und weg, einfach in Luft aufgelöst.
Und nun lag sie vor ihr im Dreck.
Tot.
Ein Unfall?
Ermordet?
Lisa war zu verstört, um sich mit diesem Gedanken weiter beschäftigen zu können.
Kapitel 2.
Ich warf einen verstohlenen Blick auf meine Armbanduhr. Schon kurz nach zwanzig Uhr. Amelie wird mich in der Luft zerreiÃen, befürchtete ich. Dennoch stahl sich ein winziges Lächeln auf meine Lippen. Das geschah ganz automatisch, immer wenn ich einen Blick auf meine Armbanduhr warf und sofort daran erinnert wurde, wie Amelie mir die Uhr zu unserem ersten Jahrestag geschenkt hatte. Seitdem trug ich sie. Ständig. Nur zum Training und wenn ich ein Spiel hatte legte ich sie ab.
âSag mal, hörst du mir eigentlich zu?â, motzte Haro leicht angesäuert. Dem Trainer entging nicht die kleinste Unaufmerksamkeit.
âHaro, kann ich kurz telefonieren? Dann bin ich auch garantiert wieder voll bei der Sacheâ, versprach ich.
Haro zog skeptisch die Augenbrauen in die Höhe. âZwei Minutenâ, murmelte er.
Ich kramte umständlich mein Handy aus der Seitentasche meiner Sporttasche hervor, obwohl ich ganz genau wusste, dass es sowieso völlig sinnlos war. Aber das war ein Teil meiner Strategie â die immer aufging. Natürlich hatte Haro das schon längst durchschaut.
âJetzt lass mal die Show sein und frag mich lieber gleich, ob ich dir mein Handy leihe. Als wenn sich schon jemals Guthaben auf deinem befunden hätte.â
Ich grinste verschämt.
âDanke, Trainer, das ist echt okay von dirâ, murmelte ich.
âSpar dir dein Gesäusel für deine SüÃe auf und mach hinne.â
Ich nickte und tippte mit dem ausgestreckten Zeigefinger Amelies Handynummer auf der Tastatur ein. Dann hob ich das Handy ans Ohr und
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