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Die Hoffnung ist gruen

Die Hoffnung ist gruen

Titel: Die Hoffnung ist gruen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Irgendwie Klarheit hineinzubringen. Klare Gedanken deshalb, weil jeden Moment Marius nach Hause kommen würde und sie, Lisa, ihm sagen musste, was geschehen war. – Wenn die Polizei ihn nicht schon vorher aufgegriffen hatte.
    Beim Schlucken schmerzte ihr Hals. Wahrscheinlich hatte sie sich eine Erkältung eingefangen. Doch noch viel mehr schmerzte der Gedanke, der seit dem Gespräch mit Kommissar Böttcher nicht mehr aus ihrem Kopf verschwinden wollte, egal wie sehr sie sich auch anstrengte.
    â€žDamit steht dein Bruder unter dringendem Tatverdacht“, hatte Kommissar Böttcher gesagt, nachdem Lisa ihm stockend berichtet hatte, dass Marius sich sehr wahrscheinlich nach dem Training, also kurz nach achtzehn Uhr, mit Amelie getroffen hatte. Wie jeden Dienstag und Donnerstag und auch freitags.
    Lisa hätte sich im selben Moment dafür Ohrfeigen können, dass ihr das herausgerutscht war. Sie hatte nicht vorgehabt, ihren Bruder zu belasten. Ganz bestimmt nicht. Sie war nur so fassungslos gewesen, wollte einfach nicht wahrhaben, was sie doch mit eigenen Augen gesehen hatte: die tote Amelie.
    Amelie war tot. Das war doch unmöglich, hatte sie zum Kommissar gesagt. Marius war doch mit ihr zusammen gewesen. Er hatte sich doch mit Amelie getroffen. Wie immer. Und er hätte doch niemals zugelassen, dass Amelie etwas passierte. Nicht seiner Amelie.
    â€žAber vielleicht hat Amelie nicht mehr die gleichen Gefühle für deinen Bruder gehabt? Vielleicht wollte sie sich von ihm trennen und da sind ihm die Nerven durchgegangen?“, redete Kommissar Böttcher eindringlich auf Lisa ein, so, als ob es ihm wirklich wichtig sei, sie von Marius
Schuld
zu überzeugen.
    â€žDer Freund, nein, der Exfreund ist der Täter – dein Bruder!“
    Lisa schüttelte heftig den Kopf. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe, als wüsste sie nicht, ob sie die Worte, die ihr bereits auf der Zunge lagen, herauslassen sollte. Schwachsinn! Das war der größte Schwachsinn, den sie jemals zu hören bekommen hatte!
    Kommissar Böttcher war scheinbar ganz anderer Meinung und ließ Marius, nachdem er Lisas und seine Personalien aufgenommen hatte, zur Fahndung ausschreiben. Danach beauftragte er einen der uniformierten Polizisten Lisa nach Hause zu fahren.
    Lisa winkte ab.
    â€žNein, das brauchen Sie nicht“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. „Ich wohne gleich hinter dem Park. Nur ein paar Schritte noch. Es lohnt sich nicht, mit dem Auto dorthin zu fahren.“
    â€žIm Wohngebiet Kartloher Berg?“, wollte Kommissar Böttcher wissen. „Klar“, er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, „die Melchiorstraße befindet sich ja inmitten der Siedlung.“
    Lisa kannte diesen Gesichtsausdruck. Und wie sie ihn kannte. Immer wenn die Leute erfuhren, dass sie eine vom Kartloher Berg war, eine aus der Ghetto-Siedlung, bekamen sie diesen Ausdruck im Gesicht.
    Wie sehr sie diesen Gesichtsausdruck doch hasste.

    Ich bog um die Straßenecke und sah, wie ein Wagen vor dem Hochhaus hielt, in dem ich wohnte. Mein Magen zog sich eigenartig zusammen, als zwei Männer ausstiegen und vor dem Haus stehen blieben, sich unschlüssig umschauten. Ich ahnte, dass es keine normalen Besucher waren, sondern Polizisten in Zivil. In dieser Gegend war der Besuch der Polizei keine Seltenheit, eher an der Tagesordnung.
    Dennoch verunsicherte mich der Anblick der beiden Zivilpolizisten. Warum, war mir nicht wirklich klar, es war so ein komisches, diffuses Gefühl, das sich erst in meinem Magen und nach und nach im ganzen Körper ausbreitete.
    Wenn man in diesem Scheißviertel wohnte, dann hatte man irgendwie immer das Gefühl, schuldig zu sein. Ganz egal, ob man irgendwas verbrochen hatte oder nicht. Es reichte offenbar schon aus, hier aufgewachsen zu sein. Damit gehörte man dann ganz automatisch zu der Kategorie
krimineller Versager
.
    Ich blieb stehen und beobachtete die beiden Männer eine Weile. Der eine, ein Dicker, der die Hände tief in seinen Manteltaschen vergraben hatte, schaute sich in der Gegend um, während sein wesentlich schlankerer Kollege die Namensschilder neben den zahlreichen schmutzig weißen Klingelknöpfen studierte.
    Mir kam es kurz in den Sinn, einfach wieder abzuhauen. Die beiden Typen hatten mich noch nicht bemerkt. Ich brauchte mich bloß wieder umzudrehen und hinter der Hausecke zu

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